Rajoy bleibt im Amt
1. August 2013"Ich habe der falschen Person vertraut. Aber ich habe nicht die Straftat begangen, einen mutmaßlich Straftäter zu decken." Mit diesen Worten hat sich Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy im spanischen Parlament gegen die Vorwürfe verteidigt, er selbst sei in die Korruptionsaffäre um den langjährigen Geschäftsführer und Schatzmeister seiner Volkspartei, der Partido Popular (PP), verwickelt.
Luis Bárcenas sitzt seit Juni in Untersuchungshaft - wegen mutmaßlicher Bestechung, Geldwäsche und möglichen Steuerbetrugs. Bárcenas hatte vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt, es habe jahrelang eine doppelte Buchführung bei der Volkspartei gegeben. Darin seien Spendeneingänge von Unternehmen verzeichnet worden. Auch sei Geld bar an zahlreiche konservative Spitzenpolitiker ausgezahlt worden. Rajoy habe Zusatzzahlungen in Höhe von rund 300.000 Euro erhalten. Als Beleg spielte Bárcenas der Tageszeitung "El Mundo" handschriftlich geführte Kontoblätter zu.
Partei zahlte Anwaltskosten
Das Heikle daran: Mariano Rajoy war zwischen 1996 und 2004 als Minister in allen Regierungen des damaligen konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar vertreten. In dieser Zeit hätte er neben seinem Ministergehalt kein weiteres Einkommen haben dürfen. Und auch ein guter Teil der Spenden wäre illegal. Parteien dürfen keine Spenden von Unternehmen bekommen, die öffentliche Aufträge erhalten.
Die Volkspartei bestreitet alles. Bárcenas stehe schon seit 2010 in keinem Arbeitsverhältnis mit der Partei mehr. Allerdings bezahlte ihm die Partei bis Ende des Jahres noch die Anwaltskosten in Höhe von insgesamt fast 330.000 Euro. Er bezog der spanischen Sozialversicherung zufolge von der Partei auch noch ein Monatsgehalt in Höhe von 21.300 Euro, wie spanische Zeitungen recherchiert hatten.
Baskische Parteivorsitzende: "Zum Kotzen!"
Die Recherchen brachten die Generalsekretärin der Partei, María Dolores de Cospedal, in Erklärungsnöte. Sie sagte, die Zahlungen seien eine "verzögerte Entschädigung". "Und als Entschädigung oder als Simulation eines, sagen wir, was früher ein Gehalt war, müssten wir auch die Sozialversicherungsbeiträge dafür abführen."
Überzeugt haben solche Erklärungsversuche in Spanien nicht einmal die eigenen Parteimitglieder. "Während wir mit zitternden Knien in die Kommunalparlamente gegangen sind, haben ein paar etwas ganz anderes in der Politik gesucht", sagte die Chefin der Volkspartei im Baskenland, Arantza Quiroga, die vor wenigen Jahren noch von der ETA bedrohte wurde. "Aber genauso wie ich das zum Kotzen finde, bin ich mir sicher, dass es andere Verantwortliche meiner Partei genauso sehen", fügte sie hinzu.
Rajoy sendet SMS: "Bleib stark!"
Der Tageszeitung "El Mundo" zufolge schickte Rajoy Bárcenas zudem zahlreiche Kurznachrichten per Handy. Er soll seinem ehemaligen Schatzmeister noch im März empfohlen haben, als dessen Millionen in der Schweiz längst bekannt waren: "Luis, bleib stark. Morgen rufe ich Dich an." Als die Anrufe ausblieben, nahm sich Bárcenas, der seine Partei lange Zeit nicht belasten wollte, einen neuen Rechtsanwalt, gab der Tageszeitung "El Mundo" ein ausführliches Interview und spielte ihr Dokumente wie Original-Kontobelege und den SMS-Verkehr mit Rajoy zu.
Das Ermittlungsverfahren wirft viele Fragen auf. So hat ein Unternehmer dem Untersuchungsrichter von einer "Infrastrukturkommission" in der Zentrale der Volkspartei berichtet. Dort hätten sich Politiker und Unternehmen vor den Wahlen darüber ausgetauscht, welche Autobahnen in der nächsten Legislaturperiode gebaut werden müssten. "Nun wissen wir, warum wir in Spanien jetzt Autobahnen ohne Autos oder Flughäfen ohne Flugzeuge haben", schlussfolgert daraus Enrique Santiago von der Vereinigten Linken, die als Nebenklägerin am Verfahren beteiligt ist. Gemeint sind zum Beispiel gebührenpflichtige Autobahnen um Madrid, die kaum noch benutzt werden. Die Betreibergesellschaften haben Zuschüsse bei der Regierung beantragt.
Regierung bleibt stabil
Auf solche Details wollte Rajoy im Parlament nicht eingehen. Er pochte darauf, dass in einer Demokratie die Gerichte über die Schuldfrage entscheiden. Auch eine politische Verantwortung als Vorsitzender der Volkspartei für die mutmaßliche illegale Finanzierung und mutmaßliche illegale Handkasse für Spitzenfunktionäre streitet Rajoy weiter ab.
Mit Ausnahme der katalanischen Nationalisten, selbst wegen illegaler Parteienfinanzierung in Schwierigkeiten, forderten die Sprecher sämtlicher Oppositionsfraktionen den Rücktritt Rajoys. Doch obwohl niemand weiß, welche Details das Ermittlungsverfahren noch ans Licht bringt, sitzt Rajoy weiter fest im Sattel. Eine bequeme absolute Mehrheit seiner Fraktion im spanischen Parlament sowie die desolate Verfassung der Sozialisten in der Opposition stützen ihn. Die Umfragewerte sind dennoch im Keller. Nur 23 Prozent der Spanier würden der Volkspartei heute noch ihre Stimme geben.