Raubkunst in Isreal
29. Juni 2014Stuart Eizenstat nahm kein Blatt vor den Mund: "Wie kann Israel von anderen Staaten etwas verlangen, wenn es selbst kein Beispiel gibt?" Der ehemalige Botschafter aus den USA und Experte für Raubkunst war Gast auf einer Internationalen Konferenz zum Thema "Restitution von Vermögen in Israel aus der Zeit des Holocaust", die jetzt in Tel Aviv stattfand.
Dabei ging es um diese Fragen: Wie steht es um Provenienzforschung in Israel? Wie sehen die gesetzlichen Grundlagen aus? 120 Teilnehmer unter anderem aus Österreich, Polen, England und den USA diskutierten den Status Quo in Israel. Das Ergebnis: Im Vergleich mit anderen hinkt der jüdische Staat beim Umgang mit Nazi-Raubkunst, Provenienz und Restitution hinterher.
Ein Umstand, den der Gastgeber der Konferenz - die staatliche Gesellschaft Hashava (Rückerstattung) - bereits im Januar dieses Jahres bei einem Runden Tisch mit den Museen des Landes moniert hatte und damit keine Begeisterung bei den Verantwortlichen auslöste. Wie in anderen Museen weltweit ist die Bereitschaft auch hier gering, sich von Bildern zu trennen. Man reklamiert für sich den Sammlungsauftrag - und dies in Israel umso mehr, weil der nationale Gedanke eine große Rolle spielt: "Der jüdische Staat betrachtet sich als rechtmäßiger Erbe aller verwaisten Objekte", sagt Elinor Kroitoru. Sie leitet die Forschungsabteilung bei Hashava, die seit 2006 den Auftrag hat, den Besitz von Holocaustopfern in Israel zu finden, um ihn den Erben zurückzugeben. Wenn es keine Erben mehr gibt, kommt der Erlös den Überlebenden und deren Nachkommen zugute.
Fall Gurlitt war Auslöser für neuen Fokus
Bislang ging es dabei vor allem um Geld, Grundstücke und Aktien - Tausende europäischer Juden hatten ihr Vermögen schon vor dem Holocaust im damaligen Palästina investiert. Nach dem Fall Gurlitt aber hat sich der Fokus verändert: "Jetzt ist es Zeit, sich verstärkt den Kunstwerken zuzuwenden", sagt Elinor Kroitoru. Bislang sei klar, dass es rund 1400 Objekte gebe, die in den 1950er Jahren nach Israel gelangten. "Die große Frage aber ist: Was wissen wir nicht? Darum treffen wir uns heute hier, um die Museen dazu zu bringen, sorgfältig nachzuforschen, wie viele Stücke in ihrem Besitz Raubkunst sind."
Da es mit der Freiwilligkeit nicht weit her ist, fordern Hashava und andere entsprechende Gesetze. So behaupte das renommierte Kunstmuseum in Tel Aviv etwa, es habe nachgeforscht, aber keine Raubkunst gefunden, sagt Elinor Kroitoru. Hashava glaubt, dass das rein statistisch gesehen nicht möglich ist. "Ich denke, sie müssen ihre Bestände sorgfältig prüfen und dann das Ergebnis öffentlich machen." Die Gesellschaft fordert deshalb ein Gesetz, das die Museen zur Provenienzforschung verpflichtet. Zudem müsse die Möglichkeit potenzieller Erben, ihre Ansprüche geltend zu machen, verbessert werden. So kann Hashava bislang nur Anträge unterstützen, wenn es sich um das Erbe von Juden handelt, die zwischen 1939 und 1945 im Holocaust ermordet wurden. "Andere müssen sich mit dem Museum direkt auseinandersetzen und gegebenenfalls privatrechtlich Klage einreichen", erklärt Kroitoru. Eine große Hürde.
Bestände müssen gesichtet werden
Des Weiteren fehlt eine landesweite Datenbank, weil man sich gar nicht vorstellen konnte, selbst von Restitutionsansprüchen betroffen zu sein. Was die jüdische Rechtsnachfolgeinstitution "Jewish Restitution Successor Organization" (JRSO) und deren Tochter "Jewish Cultural Reconstruction" (JCR) in Kellern, Höhlen und sonst wo in Deutschland gefunden hatten, wurde in Kisten gepackt und nach Israel geschickt. Längst ist nicht alles gesichtet und dokumentiert. "Eine Hundsarbeit", soll schon die Autorin Hannah Arendt, die für JCR arbeitete, ihrem Mann geschrieben haben.
In den Folgejahren kamen Kunstwerke dann auch auf anderem Wege nach Israel. "Es waren Schenkungen, Spenden, vieles wurde auch in guten Glauben für gutes Geld gekauft", sagt Elinor Kroitoru. Niemand hier habe einen Gedanken an die Herkunft verschwendet. Es sei einfach nicht üblich gewesen, danach zu forschen. Sie nennt das Beispiel des Bildes "Boulevard Montmartre, Frühling" von Camille Pissarro (Titelbild), das im Israel Museum hing, von einer Schwiegertochter des jüdischen Kunstsammlers Max Silberberg entdeckt und 1999 restituiert wurde. Obwohl in den vergangenen Jahren einige Bilder mehr restituiert worden sind - laut Kroitoru insgesamt sechs und alle vom Israel Museum, das Vorreiter sei - sei man hier spät aufgewacht. Sie hoffe nun, dass die Aufklärungsarbeit schneller vorankomme, um die Lücken aufzuholen.
Es habe sich in den vergangenen Jahren und Monaten - gerade wegen des Gurlitt-Falles - schon einiges getan. Die Museen hätten erkannt, dass sie auf dem Gebiet der Provenienz ebenfalls Verantwortung tragen.
Das alles ist aber nicht allein eine Frage des guten Willens und der Moral, es hat natürlich auch mit Geld zu tun. Bislang bekommen die Museen kein Geld für ihre Nachforschungen, obwohl sich 1998 auch Israel zu den Prinzipien der Washingtoner Erklärung über den Umgang mit Raubkunst bekannt hat. "Natürlich erwarten wir von der Regierung neben der Einbettung der Erklärung in Recht und Gesetz auch ein Budget, das für Provenienzforschung zur Verfügung gestellt wird", sagt Kroitoru.
Israels Regierung könne sich nicht der Verantwortung entziehen, machte auch Stuart Eizenstat deutlich: "Die Museen brauchen Unterstützung bei ihrer Arbeit." Auch und gerade im Hinblick auf die nun jüngst beschlossene Zusammenarbeit mit Deutschland dürfe dies kein einseitiges Engagement werden.