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Recht auf Rausch

Clarissa Neher13. August 2013

Experiment am Rio de la Plata: Noch dieses Jahr könnte Uruguay Cannabis als weltweit erstes Land komplett legalisieren. Regierungen rund um den Globus beobachten das Vorhaben mit großem Interesse.

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Frau raucht Joint (Foto: AP Photo/John D McHugh)
Frau mit JointBild: AP

"Legalize it" - Legalisiert Cannabis! So singen und predigen es Reggaesänger rund um den Globus seit Jahrzehnten. In Uruguay scheint die Verwirklichung dieses Traums vieler Marihuana-Konsumenten nicht mehr fern. Als weltweit erstes Land will der südamerikanische Staat den Anbau, die Verteilung und den Verkauf von Cannabis selbst kontrollieren und legalisieren. Die Initiative wird von Staatspräsident José Mujica höchst persönlich unterstützt und vorangetrieben.

Selbst in den Niederlanden, das in Bezug auf Cannabiskonsum als besonders liberal gilt, ist der Anbau der Pflanze nicht legal, Konsum und Verkauf werden lediglich toleriert. Das uruguayische Parlament nahm den Vorschlag ohne große Komplikationen an, nun muss der Senat noch abstimmen. Eine Zustimmung gilt allerdings als sehr wahrscheinlich.

Schon Ende dieses Jahres könnten dann über 18-Jährige Uruguayer ohne schlechtes Gewissen einen Joint drehen. 40 Gramm dürfte sich eine Person pro Monat in den dafür autorisierten Apotheken kaufen. Und sogar der Eigenanbau wäre mit bis zu sechs Pflanzen pro Person erlaubt. Auch über den Preis hat man sich schon Gedanken gemacht: Ein Gramm soll dann so viel kosten wie derzeit auf dem Schwarzmarkt, also rund 2,50 US-Dollar. Wer Cannabis kaufen und anbauen möchte, muss sich dafür allerdings registrieren lassen. Zahlreiche Aufklärungskampagnen der Regierung sollen das Projekt begleiten.

Legalisierung soll Gewalt reduzieren

Die Verfechter des Projekts hoffen, dass die Legalisierung von Cannabis die Gewalt rund um den Drogenhandel eindämmen könnte. Uruguays Präsident José Mujica glaubt, dass die Legalisierung der richtige Weg für sein Land ist: "Da es sich zurzeit noch um ein illegales Geschäft handelt, wird jedes Mittel eingesetzt. Denn das jetzige Modell führt zu einem regelrechten Sittenverfall in der Gesellschaft bis zu dem Punkt, an dem ein Leben nichts mehr wert ist", erklärte Mujica vor kurzem auf der Internetseite seiner Regierung.

Zwei Personen halten Banner mit Aufschrift "Marihuana ist frei" (Foto: dpa)
Der Konsum von Marihuana ist in Uruguay bereits legal, der Handel jedoch nichtBild: picture-alliance/dpa

Die Idee, anstatt mit Repressalien und Gewalt, mit Legalisierung auf den Drogenhandel zu reagieren, findet ihre Anfänge in einer Initiative der globalen Kommission zur Drogenpolitik. Die Organisation, der unter anderem auch der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan und ehemalige Präsidenten Brasiliens, Kolumbiens und Mexikos angehören, kämpft seit Jahren für moderatere Mittel im Kampf gegen die organisierte Drogenkriminalität. Schon im Jahr 2011 erklärten sie den mexikanischen Krieg gegen Drogen für gescheitert. Den zahlreichen blutigen Auseinandersetzungen zwischen mexikanischem Militär und Drogenhändlern sind seit deren Beginn im Jahr 2006 schon mehr als 10.000 Menschen zum Opfer gefallen. In Uruguay sitzt jeder dritte Häftling wegen Drogendelikten im Gefängnis.

Uruguay als Vorbild für andere Länder?

International stößt das Projekt, wie im eigenen Land, auf geteilte Meinungen. Tom Koenigs, Abgeordneter der Grünen im deutschen Bundestag, glaubt, dass Uruguay mit dem Vorhaben Ländern weltweit als Vorbild dienen könnte. Er war selbst jahrelang für die UN in Guatemala und Afghanistan tätig und kennt sich mit Themen wie Drogenhandel und Drogenkriminalität aus. Das Problem des Drogenkonsums bestünde zwar auch nach einer Legalisierung noch fort, so Koenigs im Gespräch mit der Deutschen Welle, doch man könnte die Abgabe der Droge besser kontrollieren. Er hält die Ausgabe von Marihuana über Apotheken, wie es in Uruguay geplant wird, für sinnvoll: "Wichtig ist aber auch, dass die Informations- und Präventionsangebote in diesem Zuge weiter ausgebaut werden."

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass der Konsum nach der Legalisierung nicht ansteige, sondern teilweise sogar geringer würde, so der Bundestagsabgeordnete. In Portugal beispielsweise sei der Drogenkonsum unter Jugendlichen um 2,5 Prozent gesunken seitdem der Besitz im Jahr 2001 legalisiert wurde.

Staatspräsident Uruguays José Mujica (Foto: DANIEL CASELLI/AFP/Getty Images)
Uruguays Staatspräsident José Mujica will Cannabis legalisierenBild: Getty Images/AFP

Im Bundeskanzleramt ist man dagegen ein wenig verhaltener: "In Deutschland werden die aktuellen drogenpolitischen Entwicklungen in Uruguay und anderen lateinamerikanischen Staaten aufmerksam beobachtet", erklärt Mechthild Dyckmanns, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, in einer Stellungnahme für die DW. Sie betont jedoch, dass in Deutschland die Legalisierung von Marihuana nicht geplant sei.

Der brasilianische Wissenschaftler Joao Trajano hält die Initiative der uruguayischen Regierung für die richtige Methode im Kampf gegen die Drogenkriminalität: "Wenn man die Droge legalisiert, schiebt man das Problem nicht einfach ab und behauptet, es würde vom Markt reguliert werden." Uruguay könne so auch für andere Länder einen Anreiz schaffen, über ähnliche Maßnahmen nachzudenken, so der Gewalt-Experte der staatlichen Universität von Rio de Janeiro im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Uruguayische Regierung rudert zurück

Davon will die uruguayische Regierung jedoch wenig wissen. Im Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur Efe betonte der Chef der nationalen Drogenkommission Julio Calzada, dass Uruguay durch dieses Vorhaben lediglich die Kriminalität vermindern möchte. Das Land wolle weder Vorbild für andere Länder sein, noch Anreize für den Konsum von Cannabis schaffen.

Auch Präsident Mijuca rudert nach der ersten Euphorie wieder zurück. Denn die uruguayische Bevölkerung teilt die Begeisterung der Regierung nicht: 63 Prozent der Uruguayer sind laut einer landesweiten Umfrage gegen die Legalisierung der Droge. Nach der Veröffentlichung der Umfrage erklärte Mujica, dass seine Regierung, sollte der Rückhalt in der Bevölkerung nicht gegeben sein, wieder von der Idee ablassen würde.