Reding: "USA wollen Vertrauen wiederherstellen"
19. November 2013DW: Frau Reding, bei Ihrem letzten Amerika-Besuch haben Sie auf den Tisch gehauen und gesagt "Unter Freunden spioniert man nicht". Ist diese Botschaft inzwischen bei der Obama-Administration angekommen und was hat Ihnen dazu heute US-Justizminister Eric Holder gesagt?
Viviane Reding: Nicht nur die Regierung sagt etwas, auch das Volk scheint sich geändert zu haben. Denn in den Wahlbezirken der Kongressabgeordneten, da gärt es richtig. Die Menschen sind aufgebracht über diese Sammelwut der Sicherheitsbehörden. Und sie sind aufgebracht über die Tatsache, dass das nicht nur sie, die Amerikaner betrifft, sondern auch Verbündete. Da entsteht eine richtige Bewegung in Amerika, die sagt, dass wir so nicht mehr weitermachen können. Und deswegen auch die Bewegung im Kongress und in der Regierung.
Was genau bringen Sie von Eric Holder mit?
Wir verhandeln über ein Rahmenabkommen zum Datenschutz von europäischen und amerikanischen Bürgern, wenn es eine justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit zwischen beiden Kontinenten gibt. Es hat sich herausgestellt, dass der Schutz der europäischen Bürger, wenn sie in Amerika sind, nur über eine Änderung von amerikanischen Gesetzen funktionieren könnte. Es scheint so, dass man in Erwägung zieht, diese Gesetze zu ändern. Das ist völlig neu. Ich glaube, dass Amerika sich bewusst ist: Wenn man eine starke Zusammenarbeit in sozialer, in wirtschaftlicher Weise mit Europa hegen und pflegen will, muss man auch auf solchen Ebenen ein Gleichgewicht zwischen den Rechten herstellen.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Wenn ein Deutscher oder ein Österreicher in München in ein Flugzeug steigt, um nach Washington zu fahren, und seine Passagierdaten werden von den Amerikanern falsch interpretiert oder verwechselt, dann bekommt er Riesenprobleme, wenn er in Amerika aus dem Flugzeug steigt. Er hat aber nicht die Möglichkeit, sich vor amerikanischen Gerichten zu wehren. Ein Amerikaner in demselben Fall in Europa hat die Möglichkeit, vor europäischen Gerichten sein Recht einzuklagen. Und deshalb glauben wir, da muss es ein Gleichgewicht geben zwischen den Rechten der Amerikaner bei uns und den Rechten der Europäer in Amerika.
Kommen wir noch einmal zur NSA-Spähaffäre. Müssen Europäer und Amerikaner neue Spielregeln aushandeln?
Ich glaube, auch das ist in der Mache. Der amerikanische Präsident hat es ja angekündigt. Und der amerikanische Justizminister hat bestätigt, dass es Reformen gibt, die in Angriff genommen wurden. Was neu ist bei diesen Reformen: Es soll nicht nur um amerikanische Bürger gehen, sondern auch darum, wie man europäische Bürger behandelt. Und das ist absolut neu. Vorher wurden bei solchen Fragen nur amerikanische Bürger in Betracht gezogen.
Können also europäische Bürger in Zukunft sicher sein, nicht mehr abgehört zu werden?
Das ist jetzt eine völlig andere Frage. Die Geheimdienste unterstehen nicht der europäischen, sondern der nationalen Zuständigkeit. Hier müssen also unsere nationalen Staaten zusammen mit den Amerikanern an einer Änderung arbeiten. Wichtig ist aber, dass für den amerikanischen Geheimdienst sowohl der Präsident als auch der Justizminister gesagt haben, dass die gesetzlichen Änderungen, die in Arbeit sind, nicht nur die Amerikaner betreffen würden, sondern auch die Europäer. Das ist wirklich neu.
Welche Forderungen haben Sie in diesem Zusammenhang an den Präsidenten?
Meine Forderungen bewegen sich im Rahmen der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, also Polizei und Justiz, wo es eine europäische Zuständigkeit gibt. Was Geheimdienste anbelangt, das müssen die Nationalstaaten machen. Aber die Bewegung hier in Amerika ist eine positive Bewegung. Ich glaube, dass sie auch zu einem Zuwachs an Vertrauen führen wird. Und das ist notwendig. Denn heute sehen wir ja, dass dieses Vertrauen völlig abhanden gekommen ist. Auch in Deutschland besitzt eine große Mehrheit der Bürger kein Vertrauen mehr in die Amerikaner. Dem müssen wir entgegenwirken, und zwar mit konkreten Aktionen. Und was die Amerikaner heute gesagt haben, lässt darauf schließen, dass sie gewillt sind, das Vertrauen wiederherzustellen.