Reeder in schwierigem Fahrwasser
10. Juli 2013Vor der Finanzkrise lief alles blendend: Wirtschaft und Handel boomten und da mehr als 90 Prozent der weltweit transportierten Waren auf Schiffen befördert werden, wurden immer mehr Schiffe gebaut. So wuchs Deutschland zur Nummer drei in der Handelsschifffahrt heran, nach Japan und Griechenland. Auch das Geld sprudelte. Private Anleger legten gerne ihr Eigenkapital im Ausbau der Flotte an. Denn in Deutschland hatte die Regierung ein Steuersparmodell für Schifffonds geschaffen. Wer in Schiffe investierte, konnte die anfänglich hohen Kosten, die beim Bau des Schiffes entstehen, mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen verrechnen. In den Boomzeiten zwischen 2003 und 2008 flossen so rund 17 Milliarden Euro von Zahnärzten, Anwälten und wohlhabenden Pensionären in den Schiffbau. Die Banken lieferten das restliche Fremdkapital.
Überangebot an Laderaum
Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers kam der Warenstrom ins Stocken, plötzlich gab es viel zu viele Schiffe. Da zwischen der Auftragsvergabe für ein neues Schiff und der Auslieferung durch die Werft Jahre vergehen, kommen zwar immer noch Schiffe auf den Markt, aber es werden auch ältere Schiffe zum Teil vorzeitig verschrottet. So ist die deutsche Handelsflotte im Jahr 2012 erstmals seit Jahrzehnten geschrumpft. Und auch wenn im vergangenen Jahr wieder mehr Waren transportiert wurden, ist die Flotte immer noch zu groß. So unterbieten sich die Reeder gegenseitig, um ihre Schiffe auszulasten. Die Frachtraten und die Mieten für Charterschiffe schrumpfen empfindlich, gleichzeitig sind die Treibstoffkosten stark angestiegen.
Nötige Investitionen kaum noch zu stemmen
"Die augenblickliche Lage ist katastrophal, weil wir jetzt im fünften Jahr der Krise sind", klagt Petra Heinrich, Inhaberin einer Reederei mit fünf Schiffen. "Die Charterraten sind so niedrig, dass man keine Tilgung leisten kann, dass Zinsen von einigen Reedereien nicht mehr bezahlt werden können." In ihrer Not lassen die Reeder ihre Schiffe nur noch langsam fahren, um Treibstoff zu sparen. Nötige Investitionen sind schwer zu stemmen, weil der Kapitalstrom versiegt ist. Banken haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Anleger lassen sich nicht mehr für Schifffonds begeistert. Nach Schätzungen der Branche sind mehr als die Hälfte der mit Anlegergeld finanzierten Einschiffgesellschaften Sanierungsfälle. Der Markt für Schifffonds, der einst so gut lief, sei tot, meint Heinrich gegenüber der Deutschen Welle.
"Es wird nicht mehr investiert", so Heinrich. "Wir bekommen kein Geld mehr, was wir aber brauchen, um die Schiffe im Moment weiter laufen zu lassen." Anstehende Werftzeiten könnten die Reeder aufgrund der niedrigen Charterraten nicht bezahlen. "Wir müssen uns also etwas ausdenken, wie wir an Geld ran kommen, denn der Markt wird wieder kommen, er wird definitiv kommen. Wir brauchen nur Zeit. Und dafür brauchen wir aber eben auch frisches Geld."
Druck zur Konsolidierung steigt
Geld sei schon da, aber die Investoren und Banken würden nicht mehr in einzelne Schiffe investieren, sondern eher in Unternehmen, also in mehrere Schiffe gleichzeitig, meint Heinrich. "Uns hat die Bank klipp und klar gesagt: Es gibt 400 Reedereien in Deutschland, die werden auf 40 reduziert! Wir müssen uns daher zusammentun, damit wir eine größere Einheit bilden."
Einige Reeder bündeln schon ihre Kräfte. Das bestätigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC: Demnach arbeiten gut 40 Prozent der 100 befragten Reeder in einzelnen Geschäftsbereichen eng mit anderen Unternehmen zusammen, und etwa die Hälfte will in den kommenden Monaten eine (weitere) Kooperation eingehen. Beispielsweise verbessern einige Reeder die Auslastung ihrer Schiffe, indem sie Schiffpools bilden und so Kosten reduzieren. Auch die führende deutsche Reederei Hapag Lloyd hat seit Mitte der 90er Jahre mit mehreren Partnern eine Allianz gebildet. Eine Fusion mit der deutschen Nummer zwei, Hamburg Süd, scheiterte jedoch. Nicht nur in Deutschland herrscht Druck zur Konsolidierung. Der Branchenprimus, die dänische Reederei Moller Maersk, hat Mitte Juni verkündet, mit zwei der führenden Container-Reedereien einen Pool zu bilden. 255 Schiffe sollen ab Mitte 2014 unter gemeinsamer Leitung fahren.
Petra Heinrich, die auch dem Reederverband Unterelbe vorsteht, berichtet aus ihrem Umfeld, dass verschiedene kleinere Reedereien miteinander im Gespräch seien. Sie täten sich jedoch schwer damit, ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Zu groß sei die Hoffnung, es doch noch alleine zu schaffen. Ihr eigener Betrieb, der seit mehreren Generationen in Familienhand ist, wird sich nicht mehr lange halten können, sagt Heinrich. "Dieses Jahr wird schon ziemlich eng. Es muss noch dieses Jahr etwas ganz Gravierendes passieren!"
Einstieg in der Krise
Während die Krise den meisten Reedern schwer zu schaffen macht, war sie für Alexander Tebbe und seinen Partner eine Chance. "Wenn man in einen Markt einsteigen sollte, dann nicht, wenn die Preise ganz oben sind, sondern wenn sie ganz unten sind", so Tebbe. Gesagt, getan. Alexander Tebbe und sein Partner haben es geschafft, Zutritt in die ehrwürdige, wertkonservative Gesellschaft der Reeder zu erhalten - obwohl sie erst Anfang 30 sind. Sie haben trotz Krise Investoren gefunden, die bereit waren, ihr Geld langfristig anzulegen und konnten so auch Fremdkapital bekommen. Drei Schiffe fahren nun für sie durch alle Weltmeere und transportieren das, was nicht in Container passt.
Entscheidend waren die aktuell sehr niedrigen Preise für Schiffe, so Tebbe. "Man braucht dafür keinen Taschenrechner. Wenn ich nur die Hälfte für das Schiff bezahle, komme ich auch mit der Hälfte der Frachtraten aus." Dadurch hätten er und sein Partner überhaupt erst die Möglichkeit bekommen, in den Markt einzusteigen. "Und wir können mit dem Ratenniveau heute eine schwarze Null schreiben, vielleicht sogar ein bisschen mehr."
Ende der Krise in Sicht?
Ihr Blick in die Zukunft ist zurückhaltend. Für drei Jahre sind ihre Schiffe verchartert. Vor allem langfristig sehen sie ihr Geschäft, wollen noch weitere Schiffe erwerben in den nächsten zehn Jahren. Und irgendwann wird es auch wieder aufwärtsgehen, da ist sich Tebbe sicher. Das bestätigt eine Prognose des Marktfroschungsinstituts IHS Global Insight. Nach ihr wird der Containerverkehr zwischen 2012 und 2017 um etwa 27 Prozent wachsen. Ein Ende der Krise sieht auch Jan Ninnemann, Professor für Maritime Logistik an der Hamburg School of Business Administration. "Man darf nicht vergessen, dass Schifffahrt immer ein zyklisches Geschäft war. Grundsätzlich gibt es schon erste Anzeichen, dass sich die Situation 2014, 2015 für die Schifffahrt, auch für die Reedereien, wieder verbessern könnte."