Reformstau bei der UNO
24. September 2003Gleich zu Beginn der 58. Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) Mitte September 2003 legte der Schweizer Bundespräsident Pascal Couchepin einen Reformvorschlag auf den Tisch. Dem Zusammenhang zwischen internationaler Sicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung müsse mehr Beachtung geschenkt werden. Der Vorschlag der Schweiz, die erst seit kurzem UNO-Mitglied ist, sieht außerdem die Schaffung einer unabhängigen Arbeitsgruppe vor, welche die Beziehungen zwischen der UNO, der Welthandelsorganisation sowie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds überprüfen soll.
Couchepin sprach sich zudem für eine Erweiterung des UNO-Sicherheitsrats aus. Entsprechend ihrer Bevölkerungszahl unterrepräsentierte Regionen wie Asien oder Afrika sollten bei der Sitzvergabe stärker berücksichtigt werden. Die Mitwirkung der übrigen, nicht im Sicherheitsrat vertretenen UNO-Mitglieder am Prozess der Entscheidungsfindung solle institutionalisiert werden. Das Veto-Recht der fünf Staaten mit ständigem Sitz gelte es auf Ausnahmefälle zu reduzieren, ein eingelegtes Veto müsse zudem vor der Generalversammlung erläutert werden.
Altbekannte Schwierigkeiten
Die angesprochenen Probleme und Lösungsvorschläge sind jedoch nicht neu. Besonders Entwicklungsländer, aber auch so etablierte Wirtschaftsnationen wie Japan oder Deutschland, drängen seit langem auf einen ständigen Repräsentanten im Sicherheitsrat. Dieses mächtigste UNO-Gremium spiegelt nach wie vor die Kräfteverhältnisse der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg wider. Doch so lange die Veto-Mächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA ihren Status nicht teilen möchten, bleibt in dieser Frage alles beim Alten.
Generalsekretär Kofi Annan und sein Vorgänger Boutros Boutros-Ghali verschlankten zwar die komplexen und dezentralen Strukturen der Vereinten Nationen und ihrer zahllosen, im Kompetenzgerangel gefangenen Unterorganisationen. Doch angesichts gleich gebliebener Personaldecke und Finanzmittel, konnte die internationale Organisation nur wenig zusätzliche Handlungsfähigkeit gewinnen. "Eigentlich sind sich alle einig, dass das bestehende Budget nicht ausreicht, und dies wird in New York auch besprochen werden", meint Andreas Rechkemmer von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Doch hier seien die Mitglieder gefragt, die wohl nur sehr unwillig ihre Staatskassen öffnen.
"Die UNO ist weniger Akteur, denn ein Forum"
In manchen Bereichen hat sich die Arbeit der Vereinten Nationen durchaus gewandelt. "Die ersten friedenserhaltenden Einsätze waren noch klassische Ermächtigungen zu Militäroperationen, wie in den 1950er-Jahren in Palästina", sagt Rechkemmer. In den 1990er-Jahren sei dann neben dem "Peacekeeping" verstärkt der Aspekt des "Peacebuilding" - der Friedenschaffung - hinzugekommen. Ein Teil davon sei die Krisen-Diplomatie, die sich anbahnende Konflikte entschärfen soll. Doch auch in der schwierigen Phase nach einem Konflikt werden die Betroffenen nicht allein gelassen. "Wie im Kosovo oder in Ost-Timor gewinnt der Aufbau funktionierender Staatsstrukturen, beispielsweise einer Polizei, vermehrt an Bedeutung", erläutert der SWP-Experte für internationale Beziehungen.
"Vor einem halben Jahr standen die Zeichen noch anders, aber nun ist die UNO wieder im Kommen," glaubt Rechkemmer. Die USA stünden im Irak vor erheblichen Problemen und könnten ihre Soldaten in dieser Stärke nicht unbegrenzt im Irak belassen. Hier kämen die Vereinten Nationen wieder ins Spiel, obwohl Annan bereits verkündet hat, dass die eigenen Kapazitäten seiner Organisation dafür nicht ausreichten. "Die Rolle der UNO wird an dieser Stelle oft falsch verstanden", sagt Rechkemmer. "Sie ist weniger ein eigenständiger Akteur auf der internationalen Bühne, denn in erster Linie ein Forum, in dem sich die Mitgliedsstaaten begegnen, untereinander austauschen und kollektive Aktionen verabreden." Auch wenn ein künftiger Einsatz im Irak möglicherweise nicht ausdrücklich unter UNO-Kommando ablaufe, so liefere sie aber die entsprechende Basis. Zur UNO als Forum der Weltgemeinschaft sieht der Wissenschaftler daher künftig keine Alternative.