Taliban haben Regierungsmitarbeiter im Visier
20. Februar 2013Sieben mal so viele Anschläge auf Regierungsmitarbeiter wie im Vorjahr meldet die Unterstützungsmission der UN in Afghanistan (UNAMA) in Kabul am Dienstag (19.02.2013). Laut dem Bericht der UN-Behörde haben es die Aufständischen gezielt auf Behördenmitarbeiterinnen abgesehen. Nur zwei Beispiele: In der Provinz Laghman wurde im vergangenen Dezember die Leiterin der Frauenbehörde getötet, wenige Monate nach dem Mord an ihrer Stellvertreterin im Juli. General Ayub Salangi, Polizeichef in der Hauptstadt Kabul, sieht das mit Sorge: "Es ist deutlich zu sehen, dass Frauen zunehmend als sogenannte 'weiche Ziele' ins Visier der Feinde Afghanistans geraten. Ich hoffe, dass verstärkt Maßnahmen ergriffen werden, um das in Zukunft zu verhindern."
"Menschen lassen sich nicht einschüchtern"
Die Moral der zivilen Regierungsmitarbeiter sei jedoch sehr hoch, so Salangi, und sie würden sich auch durch die erschreckenden Zahlen des UN-Berichts nicht einschüchtern lassen. "Die Menschen in Afghanistan haben sich verpflichtet, ihrem Land zu dienen, und werden dies auch in Zukunft tun", so der Polizeichef gegenüber der Deutschen Welle.
Laut dem UN-Bericht wurden 2012 255 Regierungsmitarbeiter bei Anschlägen getötet, im Jahr 2011 waren es 34. Faruq Bashar, Politikwissenschaftler an der Universität Kabul, glaubt, dass die Taliban den Druck im Land erhöhen wollen: "Sie wollen die Ängste der Menschen über den Truppenabzug 2014 verstärken. Sie wollen demonstrieren, dass die afghanische Regierung und ihre Sicherheitskräfte nach 2014 physisch und psychisch nicht mehr in der Lage sein werden, die Kontrolle zu behalten."
Während die Zahl der getöteten zivilen Regierungsmitarbeiter in erschreckendem Ausmaß gestiegen ist, ging die Zahl der bei Anschlägen getöteten "normalen" Zivilisten um rund zwölf Prozent zurück, auf rund 2.800. Die Zahl der Verletzten ist dagegen leicht gestiegen. In dem UN-Bericht werden NATO- und afghanische Truppen für rund acht Prozent der zivilen Todesopfer und Verletzten verantwortlich gemacht.
Sicherheitslage bleibt prekär
Der UN-Sonderbeauftragte und Vorsitzende der UNAMA, Jan Kubis, betonte bei der Vorstellung des Berichts, dass man damit ein Zeichen setzen wolle. Der Bericht solle kein Selbstzweck sein, sondern eine Änderung herbeiführen. "Wir hoffen, dass dieser Bericht auf alle beteiligten Gruppen dieselbe Wirkung haben wird: Die Regierung, die ISAF und auch die Aufständischen, die Taliban eingeschlossen."
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission bestätigt den Tenor des UN-Berichts. Sie veröffentlichte vor einigen Monaten einen eigenen Bericht zur Zahl der zivilen Opfer des Konflikts, demnach ging die Zahl der Getöteten sogar um knapp 20 Prozent zurück. "Obwohl auch der Tod einer einzigen unschuldigen Person zuviel ist, freuen wir uns über die Entwicklung und hoffen, dass die Zahl bald gegen Null sinkt", so der Sprecher der Kommission, Shamsullah Ahmadzai, gegenüber der Deutschen Welle. Mit Blick auf die massive Zunahme der Angriffe auf Regierungsmitarbeiter warnte er aber vor zu großem Optimismus. Die Taliban hätten an Schlagkraft nicht eingebüßt und lediglich ihre Taktik geändert.
Der UN-Bericht verzeichnet auch zunehmende Menschenrechtsverletzungen durch Milizen in den nördlichen und nord-östlichen Regionen des Landes, wie etwa in Kundus. Diese bewaffneten Gruppen hätten teilweise eine größere Machtstellung als die offiziellen afghanischen Sicherheitskräfte. In den Auseinandersetzungen zwischen den Milizen und den Taliban werde vor allem die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen.