UN an Bezos: Bitte melden!
18. September 2020"Wir brauchen 4,9 Milliarden Dollar", sagt David Beasley. Der Chef des Welternährungsprogramms (WFP) spricht nicht irgendwo, sondern vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Die genannte Summe (umgerechnet 4,2 Milliarden Euro) ist eine abstrakte Größe - so lange, bis Beasley anfängt, noch mehr Zahlen zu nennen. Mit dem Geldbetrag könne man 30 Millionen Menschen ernähren, sagt der frühere Gouverneur des US-Bundesstaates South Carolina, "Menschen, die ohne die Hilfe des WFP sterben werden".
Überraschend an dem Auftritt sind vor allem die Adressaten. Während in dem wichtigsten UN-Gremium meist an die Einsicht von Staaten appelliert wird, will Beasley die Finanzelite bei der Ehre packen - und lässt noch eine Zahl fallen: Mehr als 2000 Milliardäre mit einem Nettovermögen von zusammen acht Billionen Dollar (6,8 Billionen Euro) gebe es auf der Welt. Etliche hätten ihr Vermögen während der Corona-Krise um Milliarden vermehrt. "Ich bin nicht dagegen, dass Menschen Geld verdienen", betont der WFP-Chef. "Aber die Menschheit steht vor der größten Krise, die wir je in unserem Leben gesehen haben."
500.000.000.000
Eine im Juni veröffentlichte Studie des Institute for Policy Studies (IPS) gibt Beasley recht. Seit Ausbruch der Pandemie in den USA ist das Gesamtvermögen amerikanischer Milliardäre um fast 20 Prozent gestiegen. Konkret macht das eine halbe Billion Dollar - in Zahlen geschrieben: 500.000.000.000 (424 Milliarden Euro). Allein Amazon-Gründer Jeff Bezos, der als begütertster Mensch der Welt gilt, sei um etwa 36,2 Milliarden Dollar (30,7 Milliarden Euro) reicher geworden. Das Finanzpolster von Facebook-Chef Mark Zuckerberg wuchs demnach um 30,1 Milliarden Dollar (25,5 Milliarden Euro), und Tesla-CEO Elon Musk verbuchte ein Plus von 14,1 Milliarden Dollar (11,9 Milliarden Euro).
"Die Welt braucht sie jetzt", sagt der Mann, der bei den Vereinten Nationen die wichtigste Institution im Kampf gegen den globalen Hunger leitet. Dann zieht Beasley eine direkte Verbindungslinie zwischen oben und unten: "Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die am meisten haben, vortreten und denen helfen, die in dieser außergewöhnlichen Phase der Weltgeschichte am wenigsten haben."
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) lenkt den Blick auf drei Staaten, um die es besonders schlecht steht. In Burkina Faso, dem Südsudan und dem Jemen drohten Hungersnöte, sagt FAO-Direktor Qu Dongyu. Auch er spricht per Videoschaltung im UN-Sicherheitsrat. COVID-19 habe bestehende Konflikte und Instabilität dort noch verschärft: Im Jemen auf der arabischen Halbinsel herrscht seit Jahren Krieg. Nun fielen zudem Wüstenheuschrecken ein, so Qu. Burkina Faso in Westafrika ist nicht nur extrem arm; überdies terrorisieren islamistische Milizen das Land. Und im Südsudan, wo 2017 die letzte Hungersnot ausgerufen wurde, trieben Kämpfe in den vergangenen Jahren Hunderttausende Menschen in die Flucht.
Skala des Elends
Jetzt gehe es um "schnelle Ersthilfe, um den Hunger zu stoppen", unterstreicht Qu. Während umgangssprachlich von einer Hungersnot die Rede ist, wenn viele Menschen in einer Region nur noch wenig zu essen haben, wählen die Vereinten Nationen den Begriff mit Bedacht. Vor der offiziellen Erklärung würden bestimmte Kriterien geprüft, heißt es auf der UNICEF-Webseite. Die entsprechende Skala für Ernährungssicherheit hat mehrere Stufen. Von einer Hungersnot reden die UN erst dann, wenn das Elend die fünfte und letzte Stufe erreicht hat.
jj/wa (dpa, rtr, kna)