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Reinhardt: "Kinder weinen, wenn Sport ausfällt"

Olivia Fritz5. Mai 2013

Knut Reinhardt war Fußballprofi bei Borussia Dortmund. Nun arbeitet er als Lehrer in einem Problembezirk. Im DW-Interview berichtet er von alltäglichen Problemen und der Bedeutung des Sportunterrichts für die Kinder.

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Es ist ein Screenshot eines DW-TV-Beitrages ("dortmundslm"). Zu sehen ist der Ex-Bundesliga-Profi Knut Reinhardt von Borussia Dortmund (BvB), der heute als Grundschullehrer in Dortmund arbeitet. (Kamera: Chris Hecker, Rechte: DW-TV)
Knut ReinhardtBild: DW

DW: Knut Reinhardt, es ist schon eine ungewöhnliche Berufskarriere: Vom Fußballprofi des BVB, vom Champions-League-Sieger zum Mathe- und Sportlehrer an einer Problemschule. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Knut Reinhardt: Es ging natürlich nicht von heute auf morgen. Ich hatte ungefähr ein Jahr lang versucht, noch mal zum Leistungssport zurückzukommen, aber mein Körper hat mir Signale ausgesendet, dass das nicht mehr möglich ist. Somit stand ich vor der Tatsache: Ich muss etwas Neues machen. Ich habe immer Sachen gemacht, die mir Spaß gemacht haben, bei denen ich mit Herzblut dabei war. Und dann kam die Idee: Wie wäre es denn mit Lehrer? Ich wollte Grundschullehrer werden, weil ich mit Kindern sehr gut klar komme. Außerdem gibt es sehr wenige Männer in diesem Beruf. Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann hätte ich mir gern mal einen Mann gewünscht. Es war eine relativ harte Entscheidung, weil ich schon 31 Jahre alt war und mit der Ausbildung zum Lehrer sechs Jahre im Voraus geplant habe. Dann erst fertig zu sein und ein geregeltes Berufsleben zu haben - das war schon sehr schwierig.

Sie haben sich für eine Grundschule in einem Problembezirk in Dortmund entschieden. Wie sieht dort Ihr Alltag aus?

Ich arbeite im sozialen Brennpunkt, im Dortmunder Norden, an einer Grundschule für ungefähr 400 Kinder. An der Schule sind 27 Nationen vertreten. Der Ausländeranteil im Bezirk liegt bei über 80 Prozent, die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent. Also ganz schwierige Bedingungen. Wir sind eine Stadtteilschule, wir haben ein riesiges Netzwerk aufgebaut. Viele Lehrer aus dem In- und Ausland kommen alle zwei Wochen zu uns an die Schule und gucken, wie wir dort die Probleme zu lösen. Man kann nicht alles eins zu eins auf andere Regionen übertragen. Aber man kann viel mitnehmen. Wir sind eine sehr innovative Schule. Bei uns wird vor allem das Teamwork großgeschrieben. Als einzelner Lehrer kann man nicht viel machen. Wir arbeiten immer gemeinsam auf verschiedenen Ebenen. Da kam mir der Fußball zugute, weil er auch ein Teamsport ist. Dementsprechend fühle ich mich auch wohl in unserer Gemeinschaft.

Sie unterrichten die Kleinsten und Jüngsten. Welchen Stellenwert und welche Bedeutung hat der Sportunterricht in der Grundschule?

Er ist enorm wichtig für die Sozialkompetenz, also miteinander überhaupt klar zu kommen, sich an Regeln zu halten, dass es auch Konsequenzen hat, wenn man sich nicht daran hält. Der Sport bietet ein Betätigungsfeld für Kinder, um im richtigen Leben zurechtzukommen. Das wird total unterschätzt. Sport müsste noch mehr im Vordergrund stehen. Das wünsche ich mir.

Wie dankbar sind Kinder, wenn sie Sport machen können?

Ich brauche nicht zu sagen: "Stellt euch mal auf!" Die Kinder stehen schon vorher da und dann gehen wir zum Sportunterricht. Ich denke, Sport ist ein Motivator für das ganze Schulleben. Die Kinder weinen teilweise, wenn der Sportunterricht ausfällt.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie an Ihrer Schule, den Sport im Leben der Kinder zu verankern?

Es sind oft finanzielle Gründe. Die Eltern bekommen Hartz IV und haben die fünf oder sechs Euro für den Beitrag im Sportverein nicht zur Verfügung. Andererseits könnten sie das über das Bildungspaket beantragen. Jedoch sind die Formalitäten der Grund, dass solche Bögen nicht ausgefüllt und abgegeben werden. Am Ende der Kette bleibt das Kind auf der Strecke.

Und wie gehen Sie dagegen vor?

Wir haben an unserer Schule zum Beispiel eine Sozialarbeiterin, die alle Anträge ausfüllt. Viele Eltern kriegen es nicht hin, diese Anträge auszufüllen und einzureichen.

Sind die Eltern nicht gerade bei Ihnen besonders darauf aus, ihr Kind als den neuen Mario Götze zum BVB zu lotsen?

Die Eltern halten sich in Bezug auf den Sport eher zurück. Aber die Kinder sind sehr motiviert. Sie haben gerade in einer Sportstadt wie Dortmund Vorbilder. Jeder will dahin, nicht nur die Jungen, auch die Mädchen. Da brauche ich als Lehrer eigentlich nicht mehr viel zu machen. Ich kann in dem Alter zwar noch nicht sagen, ob das jetzt einer wird oder nicht. Aber ich kann die Kinder vermittelnd an Sportvereine weiterleiten.

Erkennt man Sie eigentlich noch? Wie reagieren die Eltern, wenn sie Sie zum ersten Mal treffen?

Die Kinder erkennen mich nicht. Aber viele Eltern waren schon in dem Alter, als wir sehr erfolgreich waren. Das Internet und die neuen Medien machen es möglich: Die gucken sich auch Filme an, wie ich gespielt habe. Andererseits kennen sie mich auch als Mensch in der Schule. Ich denke, das eine wird mit dem anderen verbunden, und dann können sie sich ein eigenes Bild machen.

Welche Ziele haben Sie für die Kinder?

Weiterhin, dass die Kinder auf gute Schulen gehen, die Kulturtechniken lernen und im Leben gut zurechtkommen. Dass ich später sehe, dass sie immer noch Sport machen und dass sie einen guten Beruf bekommen.

Was könnte in Bezug auf den Sportunterricht an der Schule noch verbessert werden?

Ich wünsche mir jeden Tag eine Stunde Sport. Wenn man überlegt: Bei 45 Minuten inklusive Umziehen haben die Kinder eine effektive Bewegungszeit von 20 Minuten. Das ist viel zu wenig. Ich wünsche mir jeden Tag zwei Schulstunden Sport, aber das werde ich bei meiner Direktorin nicht durchsetzen können.

Knut Reinhardt spielte sieben Jahre lang bei Borussia Dortmund (1991-1998), außerdem beim 1. FC Nürnberg und Bayer Leverkusen und gewann unter anderem 1997 die Champions League. Heute ist er Lehrer an der Grundschule "Kleine Kielstraße" in Dortmund.

Das Interview führte Olivia Fritz.