Reisen nach der Flut
5. Januar 2005Erst vor kurzer Zeit hatte sich die Tourismusbranche von ihrer bislang schwersten Krise erholt: Nach dem 11. September und dem Anschlag auf eine Synagoge auf Djerba war sogar den Deutschen die Reiselust vergangen. Nur langsam nahmen die Fernreisen im vergangenen Jahr wieder zu. Und nun der nächste Schock: Nie zuvor sind bei einer Naturkatastrophe so viele deutsche Touristen ums Leben gekommen wie bei der Flutwelle in Südasien.
"Erklärbare Phänomene"
Tobias Jüngert vom Bundesverband der Tourismuswirtschaft hat trotzdem keine Angst vor einer neuen Reiseflaute. "Naturereignisse werden auch als solche bewertet: Sie sind regional eingrenzbar, das Phänomen ist erklärbar", ist er sich sicher. Bei Bedrohungen durch Terror wie nach dem 11. September oder bei den Anschlägen in Djerba sei die Angst vor weiteren Anschlägen ungleich größer. "Es lässt sich weder das Motiv der Täter, noch der Ort, noch mögliche Wiederholungen eingrenzen. Das hat die Branche wirklich sehr beeinträchtigt. Mit solchen Konsequenzen rechnen wir bei der Flutkatastrophe in keinem Fall."
Auch Oliver Kettelbach, Sprecher des größten europäischen Reisekonzerns TUI, rechnet nicht mit Einbußen, weil die Katastrophenregionen nur einen sehr kleinen Teil des deutschen Tourismus bedienen: Die meisten Südostasien-Touristen reisen auf eigene Faust. Bei TUI werde nur ein Prozent des Konzern-Umsatzes mit Reisen nach Südostasien erwirtschaftet, sagt Kettelbach.
Vom Tourismus abhängig
Was für deutsche Reisekonzerne gilt, trifft allerdings nicht für die Krisenregionen zu. Die Menschen dort können ein längeres Ausbleiben der Urlauber nicht verkraften, denn der Tourismus ist in vielen Regionen die einzige Einnahmequelle. "Wenn man die betroffenen Länder betrachtet, sind die Folgen fatal. Die Länder, ganz besonders die von der Not am stärksten betroffene ärmere Bevölkerung, lebt sehr stark von den Einnahmen aus Tourismus, Hotellerie und Gastronomie", sagt Jüngert.
Der deutsche Tourismusverband, aber auch Entwicklungshelfer appellieren daher, die Länder nicht als Krisenregion abzustempeln und langfristig zu meiden. Denn von der Flutkatastrophe sind in einigen Staaten wie Indien oder Thailand nur schmale Küstenstreifen betroffen. Man könne schon wieder nach Thailand reisen, ohne große Beeinträchtigungen hinnehmen zu müssen, sagt Kettelbach.
Hartgesottene Urlauber
Selbst in Phuket könne man sich schon wieder aufhalten. "Dass man hier vor diesem Hintergrund einen angenehmen Urlaub verlebt, halte ich persönlich allerdings für schwer nachvollziehbar", sagt Kettelbach. "Aber grundsätzlich kann man sagen: Längere Enthaltsamkeit von Touristen ist das Schlimmste was man diesen Ländern jetzt antun kann."
Schon jetzt liegen wieder die ersten Touristen Bier trinkend an den geräumten Stränden von Phuket - während die Menschen im Inneren der Insel nicht einmal sauberes Wasser haben. Es ist fraglich, ob derzeit Tourismus eher hilft als schadet.