Rendezvous mit François Hollande
16. Mai 2012Ein Unwetter hätte die erste Auslandsreise des neuen französischen Präsidenten François Hollande beinahe scheitern lassen. Auf dem Weg nach Deutschland wurde sein Flugzeug vom Blitz getroffen und musste aus Sicherheitsgründen nach Paris umkehren. Doch so standhaft, wie sich Hollande schon am Morgen in Paris gezeigt hatte, als er bei der Parade anlässlich seiner Amtseinführung trotz strömenden Regens im offenen Wagen stand, so diszipliniert absolvierte er auch den Rest des Tages. Mit einer neuen Maschine startete der 57-Jährige erneut Richtung Berlin, das er mit eineinhalb Stunden Verspätung schließlich doch noch erreichte.
"Vielleicht ist es ja ein gutes Omen für die Kooperation", scherzte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Verweis auf den Blitzeinschlag und hatte dabei möglicherweise im Sinn, dass der "coup de foudre" aus dem Französischen nicht nur mit "Blitzschlag", sondern auch mit "Liebe auf den ersten Blick" übersetzt werden kann. Die deutsche Regierungschefin weiß, dass sie mit dem Sozialisten Hollande so schnell wie möglich ein gutes und enges Arbeitsverhältnis schmieden muss. Doch das wird nicht leicht werden angesichts der weit auseinander liegenden politischen Vorstellungen.
Handschlag statt Küsschen
Wie es sich für einen Staatsbesuch gehört, erwartete Merkel ihren Gast vor dem Kanzleramt mit einer Ehrengarde der Bundeswehr und rotem Teppich. Statt Wangenküsschen gab es zur Begrüßung erst einmal nur einen einfachen Handschlag - anders als das bei den Treffen Merkels mit dem bisherigen Präsidenten Nicholas Sarkozy üblich war. Es ist ein erstes Kennenlernen, nachdem sich Merkel geweigert hatte, Hollande im Wahlkampf zu empfangen. Um so mehr hatte sie nun mit dem Präsidenten Hollande zu besprechen. Zwei Stunden dauerte der erste Austausch. Man habe sich darüber unterhalten, wie wichtig ein gutes deutsch-französisches Verhältnis sei, betonten Merkel und Hollande anschließend vor den zahlreich erschienenen Journalisten.
Doch jenseits aller Bekundungen über Freundschaft, Kontinuität, Respekt und Gleichberechtigung wurde nach dem ersten Gespräch schnell deutlich, wie unterschiedlich die beiden Politiker in die europäische Zukunft sehen. Er habe den Wunsch, den europäischen Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin nachzuverhandeln, sagte Hollande. "Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass es mein Wunsch ist, dass Wachstum keine Worthülse ist, sondern etwas, das in der Wirklichkeit auch zu spüren ist", so der Präsident.
Beim EU-Sondergipfel am 23. Mai sowie beim regulären Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs Ende Juni müsse alles besprochen werden: "Was die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit anbelangt, was Investitionen in die Zukunft anbelangt, Fonds und Eurobonds, alles muss auf den Tisch." Dann müsse man sehen, wie das rechtlich umzusetzen sei.
Mehr Geld für Wachstum?
Doch Merkel will den Fiskalpakt auf keinen Fall noch einmal aufschnüren. Und was einen möglichen Wachstumspakt angeht, so lässt die Kanzlerin auch da durchblicken, dass sie andere Vorstellungen hat, als ihr Gast aus Frankreich. "Wachstum ist ja erst einmal ein allgemeiner Begriff. Wachstum muss bei den Menschen ankommen und deshalb freue ich mich, dass wir vereinbart haben, dass wir die verschiedenen Ideen, wie Wachstum geschaffen werden kann, miteinander besprechen werden und da mache ich mir keine Sorge, dass es Gemeinsamkeiten gibt und vielleicht gibt es auch diese oder jene unterschiedliche Meinung", so Merkel.
Zumindest beim Thema Griechenland sind sich die beiden aber einig. Es sei ihr Wunsch, dass Griechenland in der Eurozone bleibe, betonten Merkel und Hollande übereinstimmend. Beide Länder würden alles tun, um Griechenland beim Wachstum zu helfen. Das Land müsse die Verpflichtungen zu Reformen, die es eingegangen sei, aber einhalten. Die angesetzten Neuwahlen am 17. Juni, so machten Merkel und Hollande deutlich, würden zu einer Wahl über den Verbleib des Landes in der Eurozone, darüber müssten sich die Griechen klar sein.
Nach der Pressekonferenz stand für die Kanzlerin und den französischen Präsidenten noch ein Abendessen auf dem Programm. Sie habe sich über das Kennenlernen gefreut und sehe der Zusammenarbeit mit Freude und Spannung entgegen, sagte Angela Merkel. "Wir wissen um unsere Verantwortung, die wir für eine gute Entwicklung Europas haben. Von diesem Geist getragen, werden wir auch Lösungen finden."