Reparieren statt wegschmeißen?
5. Dezember 2017Das kleine Laptop stürzt immer wieder ab, klagt ein älterer Kunde. "Das Handy brauche ich! Ich kann es nicht irgendwohin einschicken", drängt eine Kundin. Auf dem Tisch von Valery Konopla türmen sich Elektronikgeräte aller Art. Er macht alles, "was internetfähig ist". Nur, lohnt sich das? Wenn die Reparatur mehr als die Hälfte des Preises eines guten gebrauchten Geräts kostet, rät der Königswinterer davon ab. Arbeit ist teuer, klar, aber auch die Ersatzteile: Die muss Konopla bei Amazon suchen. "Manche Hersteller stellen schon nach einem Jahr keine mehr zur Verfügung", meint er.
Ein einfacher Zugang zu Ersatzteilen zu angemessenen Preisen würde zu mehr Reparaturen motivieren, glaubt der Runde Tisch Reparatur, zu dem sich 2015 Verbraucher- und Umweltschützer, Hand- und Heimwerker zusammengeschlossen haben.
Deshalb unterstützt er eine Klage gegen Samsung und Apple, die die Reparaturwerkstatt Vangerow aus Reutlingen beim Bundeskartellamt eingereicht hat. Vangerow klagt wegen Diskriminierung freier Werkstätten in der Belieferung mit Ersatzteilen nach §19 GWB (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung). Denn selbst anerkannte Meisterbetriebe bekommen die Komponenten nicht oder nicht zu den gleichen Konditionen wie Werkstätten, die die Hersteller unter Vertrag haben.
Ersatzteile nur mit Autorisierung - oder gar nicht
Detlef Vangerow, der Chef des traditionsreichen Familienbetriebs und Mitgründer des Runden Tischs, sieht die restriktive Handhabe als eine Strategie der Hersteller, die Lebensdauer der Produktezu verkürzen. Im Frühjahr schrieb er zahlreiche bekannte Elektronikproduzenten mit der Bitte um Ersatzteile an und veröffentlichte die Antworten auf der Webseite "reparatur-revolution". Apple beispielsweise antwortete, Ersatzteile gebe es nur mit einer Autorisierung. Neue Service-Partner zu autorisieren gebe es derzeit keinen Bedarf.
Ähnliche Reaktionen kamen von Huawei, ZTE, DeLonghi, HTC und Vorwerk. LG habe mehrere Anfragen ignoriert. Samsung habe in den letzten Monaten gar keine Ersatzteile an freie Werkstätten geliefert, so Vangerow. Nun verlange der koreanische Hersteller die IMEI-Nummer, um ein Smartphone eindeutig zu identifizieren, bevor etwa das kaputte Display ausgetauscht werden kann. "Das verletzt den Datenschutz und macht es uns unmöglich, Teile zu bevorraten".
Die Kartellklagen gegen Samsung und Apple seien nur der Anfang: Das Verfahren richte sich gegen alle Hersteller, die qualifizierte Techniker benachteiligen. "Bei diesen zwei sehen wir es als noch problematischer als bei den anderen", sagt Ugur Türkoglu, Informationstechniker bei Vangerow. Und wenn schon Meisterbetriebe so behandelt werden, was sollen erst Repair-Cafés und handwerklich versierte Verbraucher erwarten?
Rechtsanspruch auf Ersatzteile, Werkzeug und Infos
Natürlich haben sich die Werkstätten bisher auch irgendwie durchgewurstelt. "Wir bestellen aus verschiedenen Quellen", so Türkoglu. Wenn es gar keine Originalteile gebe, beschafften Großhändler diese aus dem Ausland. Allerdings kosten sie so im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr als beim Service-Partner der Marke.
"Auch fehlt uns die entsprechende Diagnose-Software", moniert Türkoglu: "Deshalb können wir bestimmte Reparaturen gar nicht erst anbieten". Würden die Rahmenbedingungen stimmen, ließen die Leute viel mehr wieder instandsetzen, ist er überzeugt. "Technisch ist das kein Thema, wenn man die Ersatzteile und die Software bekommt". Es sei etwas Anderes, in die Werkstatt um die Ecke zu gehen und dem Techniker womöglich noch bei der Arbeit zuzugucken.
Reparieren erhält Arbeitsplätze
Reparieren erhält nicht nur die Arbeitsplätze beim Handwerk, sondern schont auch Ressourcen und vermeidet Abfall. Deshalb sitzen sehr unterschiedliche Akteure mit am Runden Tisch wie Germanwatch und die Verbraucherzentrale. Der Zusammenschluss verlangt, dass Hersteller, Händler und Importeure verpflichtet werden, allen Marktteilnehmern über die gesamte Nutzungsdauer von Produkten hinweg Ersatzteile zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen.
Der Preis müsse in einem vernünftigen und begründbaren Verhältnis zu den Herstellungskosten stehen. Ferner soll es einen Rechtsanspruch auf Informationen und Werkzeuge geben, die für die Reparatur erforderlich sind. Schließlich könne der Staat Reparaturen auch durch eine niedrigere Mehrwertsteuer fördern wie etwa in Schweden.
Sehr komplexe Technik - sichern nur Vertragspartner Qualität?
Samsung Deutschland antwortet nicht auf die Nachfrage der Autorin, und Apple möchte sich nicht zu einem schwebenden Kartellverfahren äußern. In einem Interview für den australischen Sender "news.com.au" sagte die Vizepräsidentin für Umwelt und Soziales des US-Konzerns, Lisa Jackson, zum Thema Reparaturfreundlichkeit, dass die Geräte unglaublich komplex seien und nur autorisierte, geschulte Service-Partner sie sicher reparieren könnten.
Ähnlich argumentiert die Vereinigung der. Elektronikhersteller Digitaleurope. "Die Hersteller der Branche haben ein Netzwerk aus Service-Points und Logistiklösungen entwickelt. Dadurch ließen sich Qualität, Sicherheit, Effektivität und Produktivität maximieren. Zudem können die Hersteller aus ihren Fehlern lernen", heißt es in ihrem Statement "IT im Kreislauf halten".
Manche Dinge - sogar schnelllebige Elektronik - hätten aber auch einen ideellen Wert, erzählt Konopla. Einmal habe ein Mann ihm einen uralten Computer gebracht. Die Reparatur werde 800 Euro kosten, das lohne sich gar nicht, betonte der Techniker. "Machen Sie nur, ich bezahle das", habe der Kunde gesagt. Der Computer war ein Geschenk seiner verstorbenen Frau.