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Reschke: "Mund auf gegen Rassismus"

Greta Hamann7. August 2015

Die "schweigende Masse" soll die Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit erheben. Das forderte die Journalistin Anja Reschke in einem TV-Kommentar und löste damit ein großes Echo aus. Auch internationale Medien berichten.

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Anja Reschke ARD Tagesthemen Kommentar (Foto: NDR)
Bild: NDR

"Wenn man nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten, dann sollte man das ganz deutlich kundtun. Dagegen halten, Mund aufmachen, Haltung zeigen."

Mit diesen klaren Worten forderte die deutsche Politikjournalistin Anja Reschke dazu auf, offen gegen Rassismus zu protestieren: "Die Hassschreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht akzeptiert."

Schon kurz nach der Veröffentlichung des Kommentars in der deutschen Nachrichtensendung Tagesthemen wurde das Video in den sozialen Medien Facebook und Twitter heftig diskutiert.

Rund zwölf Millionen Menschen klickten das Video mittlerweile an, circa 300.000 teilten es in ihrem eigenen Profil und fast genauso oft wurde es kommentiert. Bei Twitter landete der Hashtag #AnjaReschke zeitweise auf Platz eins der deutschen Twittertrends. Zahlreiche deutsche Medien berichteten. Und sogar der britische Guardian griff das Thema mit einem umfangreichen Artikel zu der Flüchtlings- und Asyldebatte in Deutschland auf.

"Ich freue mich auf die Kommentare zu dem Kommentar" - so beendete die 42-jährige ARD-Moderatorin ihr Statement. Dass die Reaktionen allerdings so umfangreich sein würden, überraschte sie dann doch: "Der große Zuspruch zeigt mir, dass ich mit dieser Meinung erfreulicherweise nicht alleine dastehe", sagte Reschke in einem Radio-Interview am Tag nach der Veröffentlichung.

Tagesschau: 100 rassistische Kommentare gelöscht

Viele Menschen unterstützten Anja Reschke und riefen ihrerseits zu einem "Aufstand der Anständigen" auf. Doch auch die sogenannten Hasskommentare fanden wieder ihren Weg in die Kommentarspalte des Videos. Rund 100 solcher Äußerungen hat die Redaktion der Tagesschau nach eigenen Angaben bereits löschen müssen. Sie seien offen volksverhetzend oder extrem rassistisch gewesen.

Manch einer machte sich gar die Mühe, an Reschke persönlich eine E-Mail zu schicken, erzählt die Journalistin und zitiert aus einer Mail, die ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist: "Ich bin ja kein Rechter", habe ihr jemand geschrieben: "Aber ich wehre mich gegen die Überfremdung unseres Volkes. Afrika ist verseucht mit Krankheiten, das schleppen sie in unser Land. Die vielen auf Vermehrung ausgerichteten Schwarzen vermischen sich mit unserem weißen Volksstamm." Viel fällt Reschke zu solchen Mails nicht mehr ein: "Ja, da weiß ich auch nicht. Wenn dieser Mensch jetzt nicht rassistisch ist, dann weiß ich nicht was er sonst ist."

Ohne Schamgefühl

Für Reschke sei mit solchen Aussagen, die mittlerweile sogar immer öfter mit Klarnamen veröffentlicht würden, die Grenze von der Meinungsäußerung zum offensichtlichen Rassismus klar überschritten: "Da ist echt der Punkt, wo ich sage: Nee, jetzt ist Schluss. Das ist keine Meinungsfreiheit und da muss man etwas dagegen halten."

Intiativen wie die Webseite "Perlen aus Freital" sammeln rassistische Kommentare und Postings, die öffentlich in den sozialen Medien verbreitet werden und stellt diese auf ihren Blog. Immer wieder finden sich dort Kommentierende, die einerseits dazu aufrufen, Menschen zu töten und gleichzeitig mit ihrer Familie auf dem Profilfoto posieren.

Screenshot Perlen aus Freital tumblr (Foto: Screenshot)
Der Blog "Perlen aus Freital" sammelt HasskommentareBild: Screenshot: perlen-aus-freital.tumblr.com

Für ihre fremdenfeindlichen Aussagen erhalten sie oft noch Zustimmung. Doch das ist nicht der Normalfall in Deutschland, sagt Reschke: "Die Menschen, die solche Aussagen verbreiten, denken, sie seien in der Mehrheit und schämen sich auch nicht mehr für ihre Meinung."

Rebecca Weiss von der Initiative "Gesicht Zeigen!" teilt Reschkes Meinung und spricht aus den eigenen Erfahrungen in den sozialen Netzwerken: "Wir kennen diese sogenannte Debattenkultur und da wird Schweigen auch schnell als Zustimmung verstanden", sagte Weiss im Interview mit NDRInfo: "Wir brauchen viel mehr Menschen, die sagen: Nein! Das ist nicht meine Meinung und ich möchte das einfach auch nochmal betonen." Reschke habe ihr aus dem Herzen gesprochen, so Weiss.

Dass Anja Reschke mit ihren Kommentaren klar Stellung beziehen und ein großes Echo erzeugen kann, bewies sie bereits im Januar dieses Jahres. Anlässlich des Jahrestages zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz warnte sie davor, einen Schlussstrich unter der deutschen Verantwortung zu ziehen. Auch dieser Beitrag wurde millionenfach geteilt und viel diskutiert.