Jetzt oder nie
26. Juni 2015Mit gequältem Lächeln traf der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Freitag zu den Gipfelberatungen ein, schweigsam verschwand er in den Gängen des Brüsseler Ratsgebäudes. Die große Runde der Staats- und Regierungschefs wollte sich mit dem Thema Griechenland beim Gipfel nicht mehr beschäftigen. Doch auf den Gängen war das Thema auch am Freitag allgegenwärtig.
Tsipras hat sich am Morgen noch einmal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande zusammengesetzt, ohne Ergebnis. Die Kanzlerin hat in diesem Gespräch nach ihren eigenen Angaben Tsipras "sehr ermuntert", das "außerordentlich großzügige" Angebot der Gläubiger anzunehmen. Zum Beispiel könnte Griechenland noch niedrigere Haushaltsüberschussziele eingeräumt bekommen als bisher.
Alles muss jetzt glattgehen
Zum jüngsten Angebot gehört eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms um fünf weitere Monate mit zwölf Milliarden Euro an weiteren Krediten, zusammen mit dem IWF kämen sogar 15,5 Milliarden zusammen; es wäre die dritte Verlängerung. Und bis Dienstag soll Griechenland 1,8 Milliarden Euro an Zinsgewinnen der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommen, um dann fällige Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) leisten zu können.
Voraussetzung ist aber, dass die griechische Regierung einer Liste mit Einspar- und Reformmaßnahmen vor allem im Bereich Renten und Steuern zustimmt und ebenso das griechische Parlament. Dieses Wochenende gilt als letzte Gelegenheit für eine Einigung. Am Samstag treten die Euro-Finanzminister erneut zusammen. Merkel nannte das Treffen "entscheidend".
Auch wenn die Wortwahl abgegriffen wirkt nach den vielen angeblich entscheidenden Verhandlungen, allein der Zeitplan gibt einfach keine Verzögerungen mehr her: Einigung am Samstag, parlamentarische Zustimmung in Athen am Sonntag oder spätestens Montag, grünes Licht des deutschen Bundestags und einiger anderer Parlamente ebenfalls am Montag. Vorausgesetzt, das alles geht glatt über die Bühne, dann könnte es gerade noch hinhauen.
Neue griechische Beschimpfungen
Doch immer noch stehen die Zeichen auf Sturm: Tsipras regte sich noch in Brüssel über "Ultimaten und Erpressung" auf. Finanzminister Gianis Varoufakis hatte am Morgen im irischen Rundfunk Forderungen der Gläubiger "eindeutig nicht lebensfähig" genannt. Die Gläubiger, sagte er, "bringen mich und meine Regierung in eine unmögliche Position". Ähnlich äußerte sich Arbeitsminister Panos Skourletis im griechischen Fernsehen. Die Reformvorschläge würden "Selbstmord" für das Land bedeuten. Skourletis warnte auch vor Neuwahlen, sollten sich die Gläubiger mit ihren Vorstellungen durchsetzen.
Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem kann das alles nicht mehr hören. Griechenland brauche dringend Veränderungen: "Die Steuerbehörden funktionieren nicht mehr, alle ausländischen Investoren verlassen das Land, die Leute haben das Vertrauen in die Regierung verloren. Vertrauen muss zurückkehren. Dafür braucht man eine Einigung und eine Reihe von Reformen. Wenn man nicht glaubt, dass diese Reformen nötig sind, dann hört das nie auf."
Kein Plan B?
Für Aufsehen sorgt unterdessen eine Information, die am Freitagmittag durchsickerte. Danach halten die Gläubigerinstitutionen ein drittes Hilfspaket für Griechenland mit einer Lauzeit von drei Jahren für notwendig. Das wird den Eindruck in vielen Eurogruppen-Staaten verstärken, dass Griechenland ein Fass ohne Boden sei. Und es wird die Bereitschaft in den soliden Ländern, weiteres Geld zur Verfügung zu stellen, nicht gerade erhöhen.
Für Bundeskanzlerin Merkel ist offenbar das Ende der Fahnenstange erreicht. Mit dem jüngsten Angebot "ist der Rahmen gesetzt", es sei jetzt Sache Griechenlands, darauf einzugehen, sagte sie nach dem Gipfel. Der "Solidarität" der Hilfeleister stünden immer "eigene Anstrengungen" des Hilfsempfängers gegenüber. Ein weiterer Sondergipfel zu Griechenland sei nicht geplant, nachdem sich die Staats- und Regierunsgchefs jetzt zweimal kurz hintereinander außerplanmäßig zu Griechenland getroffen hätten. Und: Einen Plan B gebe es nicht. Es klang vor allem nach einer letzten Aufforderung an Alexis Tsipras, über seinen eigenen Schatten zu springen.