Rhein, Wein und Klassik
29. August 2012Ein Gang über die stets überfüllten Parkplätze der Veranstaltungsorte zeigt es immer wieder: Das Rheingau Musikfestival ist ein Publikumsmagnet und zieht seit Jahrzehnten im Sommer zahllose Gäste aus ganz Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern an. Das Spektrum des Festes ist breit gefächert: In über 155 Konzerten an rund 40 Veranstaltungsorten wird den Besuchern Klassik und Jazz, aber auch Kabarett und Literaturlesungen vom Feinsten präsentiert – selbstverständlich mit hochkarätigen Interpreten.
Idee für eine Landschaft
Dass der Rhein zwischen Bingen und Wiesbaden unter den Musikfans einen klingenden Namen hat, war nicht immer so: Lange Zeit wurde der Rheingau lediglich unter Weinkennern hoch geschätzt. Das war dem Musikliebhaber Michael Hermann zu wenig. Nach dem Vorbild des südfranzösischen "Pablo Casals-Festivals" in Prades gründete er 1987 das Rheingau Musikfestival.
"Die Idee war, das in einer ähnlichen Landschaft wie in Südfrankreich zu machen - hier in dem wunderschönen Rheingau", sagt Hermann. "Den Wein liebte ich sowieso, aber wir wollten den Wein noch mit Musik veredeln." Ein Jahr später startete das Festival mit 19 Konzerten. Die erste Saison war in finanzieller Hinsicht ein Misserfolg; dennoch hielt der Intendant an seiner Idee fest, dem Musikleben im Rhein-Main-Gebiet neue Impulse zu geben und wagte eine zweite Auflage.
Auf der Erfolgsleiter
Deren erfolgreicher Abschluss verhalf Michael Hermanns Idee zum Durchbruch: In den folgenden Jahren entwickelte das Rheingau Musikfestival sich im Hinblick auf die Besucherzahlen rasant. Darüber hinaus machte das ständig wachsende Konzertangebot die ursprünglich überschaubare Veranstaltung zu einem der längsten Sommerfestivals in Deutschland, das mittlerweile fast drei Monate in Anspruch nimmt.
Schon früh setzte Intendant Hermann neben international renommierten Künstlern auf junge hochbegabte Talente: "Wir sehen es als einen großen Auftrag, junge Künstler zu engagieren und ihnen bei ihrer Karriere behilflich zu sein." Mehrere Konzertreihen bieten den Stars von morgen die Gelegenheit, sich und ihr Können dem Publikum vorzustellen.
Unsicherheitsfaktor Wetter
Viele der Konzerte des Rheingau Musikfestivals finden nicht nur in historischen Schlössern, Kirchen oder Weingütern statt, sondern auch in idyllischen Innenhöfen unter freiem Himmel – wenn das Wetter es zulässt. Zwar ist der Rheingau durchaus eine sonnenverwöhnte Gegend; dennoch kann das Sommerwetter auch hier manche Kapriolen schlagen.
Einmal, so erinnert Michael Hermann sich, habe dem Dirigenten Carlo Maria Giulini nicht nur Kälte und Regen, sondern auch eine fehlende Garderobe und ein verspätetes Orchester so die Stimmung verhagelt, dass er das Konzert absagen wollte: "'Wollen Sie, dass ich sterbe', fragte er mich empört. Glücklicherweise kam in diesem Moment das verspätete Orchester, die Probe begann, und ich habe sofort einen Campingbus organisiert mit Heizung, einem frischen Handtuch und einer temperierten Flasche Rotwein. Und alles lief glatt."
Erfolgreiche Bilanz
So manche Story könnte Hermann von Künstlern, Besuchern, Wetter und Orten des Festivals erzählen. Dazu gehört aber auch die Erfolgsgeschichte seiner Idee: In den vergangenen 25 Jahren hat das Rheingau Musikfestival sich nicht nur an die Spitze der deutschen Festivallandschaft gearbeitet, sondern genießt auch international einen guten Ruf.
Vor allem auf eines ist der Intendant stolz: "Wir sind ja privat organisiert und kriegen keine öffentlichen Gelder. Dennoch haben wir es geschafft, dass wir mit den großen weltbekannten Festivals mithalten können." Und das, so der Intendant, soll auch in Zukunft so bleiben: man werde sich weiterhin intensiv um Publikum und Sponsoren kümmern, denn beide gewähren die Finanzierbarkeit des Festivals. Allerdings gibt es für Musikfreunde kaum einen so betörenden Erlebnis-Dreiklang wie den des Rheingau Musikfestivals mit einer historischen Kulturlandschaft, erlesener Musik – und einem guten Tropfen im Weinglas.