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Richter sichten Kundus- Videos

30. Oktober 2013

Vier Jahre nach dem tödlichen Luftangriff von Kundus in Afghanistan befasst sich das Bonner Landgericht mit dem Fall. Es geht um Schadensersatz und die Frage der Schuld. Erstmals sichtet das Gericht öffentlich Videos.

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Die ausgebrannten Tanklastzüge in Kundus (Archivfoto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Prozess um das tödliche Bombardement von Kundus hat das Bonner Landgericht am heutigen Mittwoch mit der Beweisaufnahme begonnen. Auch nachdem die Videoaufnahmen über das Geschehen bei den Tankwagen vor dem Bombenabwurf erstmals öffentlich vor Gericht gezeigt wurden, bleiben die Umstände strittig. Die Klägeranwälte sahen sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass erkennbar viele Zivilisten sich in der Nähe der zwei Tankwagen aufhielten. Deshalb hätte der Luftschlag nicht befohlen werden dürfen. Der Anwalt des Bundesverteidigungsministeriums sprach dagegen von einem "diffusen Bild", das auf den Aufnahmen aus US-Kampfjets zu sehen sei. Es sei keinesfalls erkennbar, dass die Zivilbevölkerung "involviert" gewesen sei.

Oberst Klein schuldig?

Das Bonner Landgericht will am 11. Dezember eine Entscheidung über das weitere Vorgehen in diesem ersten Prozess um Schadensersatzklagen verkünden. Hinterbliebene ziviler Todesopfer wollen von der Bundesrepublik höhere Entschädigungszahlungen, da der damalige Bundeswehr-Kommandeur Georg Klein in Afghanistan falsch gehandelt habe.

Das Gericht will weiter prüfen, ob ein schuldhafter Verstoß Kleins gegen Amtsverpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgelegen hat. Wenn es Anhaltspunkte für eine hinreichende Verantwortung Kleins gebe, sei eine Haftung durch die Bundesrepublik möglich, sagte Richter Heinz Sonnenberger. Dann werde die Beweisaufnahme mit Zeugen fortgeführt. Die andere Möglichkeit sei eine Abweisung der Entschädigungsklage.

Eine Zäsur

Der Luftangriff von Kundus gilt als schwerster Angriff der Bundeswehr beim gesamten Einsatz am Hindukusch. Er war am 4. September 2009 von Oberst Klein angeordnet worden, nachdem Taliban-Kämpfer zwei Lastwagen gekapert hatten. Etwa 100 Menschen, viele davon Zivilisten, wurden dabei getötet. Die genaue Zahl ist bis heute unbekannt.

Hinterbliebene der Opfer haben die Bundesrepublik auf Schadensersatz verklagt, da sie die geleisteten Zahlungen für zu gering halten. Laut Verteidigungsministerium wurden in 90 Fällen je 5000 US-Dollar (rund 3800 Euro) an afghanische Familien gezahlt. Das macht insgesamt etwa 350.000 Euro. Klägeranwalt Karim Popal hat dagegen eine Gesamtentschädigung in Höhe von 3,3 Millionen Euro gefordert.

Bei Prozessbeginn im März hatte das Gericht den Antrag der Bundesregierung, die Klage abzuweisen, abgelehnt. Stattdessen wurde die Regierung aufgefordert, Bild- und Tonmaterial vorzulegen, um die Entscheidungsabläufe zu rekonstruieren.

Die Bundeswehr selbst sah bei Oberst Klein kein Fehlverhalten: Er ist inzwischen zum General befördert worden.

pg/det/uh (dpa, afp)