Machtwechsel möglich
15. März 2009El Salvadors 4,2 Millionen Wähler könnten am Sonntag (15.03.2009) einen historischen Politikwechsel in ihrem Land herbeiführen: Nach letzten Umfragen lag Mauricio Funes von der "Front Farabundo Martí für die Nationale Befreiung" (FMLN) vorne. Sollte er siegen, käme in dem mittelamerikanischen Land erstmals ein linker Präsident an die Macht.
Der frühere Fernsehjournalist Funes (49) war erst vor einem halben Jahr der FMLN beigetreten und dann als Kandidat aufgestellt worden, vor allem, weil er als gemäßigt gilt. Mit ihm geht ein Vertreter der jüngeren FMLN-Generation ins Rennen, die nicht an El Salvadors Bürgerkrieg (1980-1992) beteiligt war und auch nicht zu den alten ideologischen Parteikadern zählt.
Immer noch marxistisch?
Trotzdem hatte die mehrheitlich rechtsgerichtete Presse im Land immer wieder behauptet, Funes werde von den alten Comandantes der FMLN gesteuert und unterhalte Kontakte zu Kolumbiens Guerillagruppe FARC. Der amtierende Präsident Antonio Saca von der konservativen Alianza Republicana Nacionalista (Arena) hatte im Wahlkampf noch vor einer Nähe Funes' zu Venezuela und Kuba gewarnt: "Am Ende wird er den Befehlen aus Havanna und aller seiner Chefs folgen müssen", sagte er in einen Interview der Zeitung "El Diario de Hoy".
Diese Gefahr sieht Peter Peez vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg nicht, er hält Funes für einen Vertreter der sozialdemokratischen Richtung, wie etwa in Chile, Argentinien oder Brasilien. Für seine Partei gelte das allerdings nicht unbedingt, sagt er: Die FMLN wurde 1980 als marxistische Bewegung gegründet und kämpfte in einem Guerillakrieg, der mehr als 75.000 Menschen das Leben kostete, gegen das rechte salvadorianische Regime. Seit sie 1992 die Waffen niederlegte, hat sie sich schrittweise in das demokratische politische System integriert.
Viele Betonköpfe
Alte Ideologien herrschen dort aber immer noch vor. "Die FMLN und ihre alten Kader sind Betonköpfe", hat Peez bei seinem jüngsten Besuch Ende 2008 in El Salvador beobachtet. "Da wird mit Stalin und Lenin argumentiert und es wird ein Diskurs gehalten, der von Hass auf die Arena-Partei, den Wirtschaftsliberalismus und die USA geprägt ist", berichtet er.
Im Gegensatz zu vorherigen Kandidaten der FMLN hält er Funes' politisches Programm aber für realistisch und pragmatisch: Funes hatte sich bereits im Vorfeld der Wahlen mit Wirtschaftsvertretern getroffen, er will am US-Dollar als Währung festhalten, auch wenn er sich damit in Teilen seiner Partei unbeliebt macht. Ob er im Falle eines Wahlsieges diese Spaltung überwinden kann, ist offen. Stephan Reichert von der Friedrich-Ebert-Stiftung in El Salvador befürchtet, dass dann die internen Grabenkämpfe offen ausgetragen werden könnten.
Wahlkampfthema Kriminalität
Eine "gewisse Umverteilungspolitik" habe allerdings auch Funes' Gegenkandidat Rodrigo Ávila von der Arena-Partei angekündigt, sagt Peez. In seinem Wahlkampf habe er den Schwerpunkt eher auf soziale Aspekte gelegt. So will Ávila etwa 50.000 subventionierte Wohnungen bauen lassen und für 250.000 neue Arbeitsplätze sorgen. Als ehemaliger Polizeipräsident gelte Ávila aber als Gefolgsmann des amtierenden Präsidenten Sacas, so Peetz. Die Arena-Partei wird von Unternehmern, den Reichen und der Kirche getragen und beherrscht das Land seit dem Ende des Bürgerkrieges.
Allerdings bleibe, ähnlich wie bei Funes, abzuwarten, was Ávila durchsetzen kann und ob er es wirklich ernst meint, so Peetz, schließlich komme er ja "aus der alten Schule der Arena". Wer auch immer die Wahl gewinnt, wird vor großen Herausforderungen stehen: Die massiv gestiegene Kriminalität war eines der Hauptwahlkampfthemen. Auf einer Liste der Länder mit den meisten Gewalttaten steht El Salvador auf Platz zwei hinter dem Irak. Im Durchschnitt werden in dem Land mit rund sieben Millionen Einwohnern jeden Tag elf bis zwölf Menschen ermordet. Damit dürfte die Politik der "superharten Hand" des amtierenden Präsidenten Saca als gescheitert gelten. Die Regierung gibt aber den sich ausbreitenden Jugendgangs die Schuld, den sogenannten Maras. Hinzu kommt der zunehmende Einfluss mexikanischer Drogenkartelle.
Land in Armut
Weiteres Wahlkampfthema in El Salvador war die schlechte Wirtschaftslage. Nach Angaben des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen sind 42 Prozent der Bevölkerung arm, 17 Prozent leben in absoluter Armut. Nicht zuletzt diese Situation veranlasst täglich rund 500 Personen, El Salvador zu verlassen und allein oder mit Hilfe von Schleusern unter hohen Risiken für Leib und Leben in die USA auszuwandern: Mehr als ein Viertel der Salvadorianer lebt im Ausland, die meisten in den USA. Deren Zahlungen von 3,8 Milliarden US-Dollar machten im vergangenen Jahr 17,1 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.
Analysten hoffen jetzt vor allem, dass die Wähler eine klare Entscheidung treffen werden. Ein knapper Wahlausgang könnte möglicherweise eine politische Krise auslösen. Mehr als hundert internationale Wahlbeobachter sind zugegen, davon 66 aus der Europäischen Union. Die Regierung hat mehr als 20.000 Polizisten und Soldaten aufgeboten, um die Sicherheit am Wahltag zu gewährleisten.