Deutsch-Türkisches Wissenschaftsjahr
23. Januar 2014Am Donnerstag (23.01.2014) ist das "Deutsch-Türkische Jahr der Forschung, Bildung und Innovation" offiziell in Berlin eröffnet worden. Internationale Wissenschaftsjahre gibt es schon seit 2006. Partnerländer waren unter anderem Südafrika, Russland und Brasilien - und jetzt also die Türkei. Das Internationale Wissenschaftsjahr wird vom Bundesbildungsministerium (BMBF) organisiert, in diesem Jahr von der Abteilung "Europäische und internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung". Volker Rieke ist der Leiter der Abteilung.
DW: Herr Rieke, auf Regierungsebene feilen Deutschland und die Türkei schon seit 30 Jahren an ihren Wissenschaftsbeziehungen. Warum wird das – zumindest in Deutschland – in der Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen?
Volker Rieke: Die Kooperation zwischen Wissenschaftspartnern spielt sich meist in einem eingegrenzten Bereich zwischen Wissenschaftsorganisationen, zwischen Wissenschaftlern ab und findet nicht die Öffentlichkeit wie zum Beispiel die Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaft oder andere bilaterale Kooperationen zwischen den Ländern.
Das wollen Sie aber in diesem Jahr ändern. Wie?
Zum einen geht es natürlich darum, dieses 30-jährige Jubiläum der Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und der Türkei auf Regierungsebene zu feiern. Das ist ein schöner Anlass, das ist ein Fundament, auf das wir mit den türkischen Partnern aufbauen können. Darauf sind wir stolz und das jetzt einen Reifegrad erreicht hat, den man vertiefen und ausbauen kann.
Zum anderen haben wir uns vier Themenschwerpunkte als Säulen gesetzt, auf denen das Wissenschaftsjahr ruhen soll: Die erste Säule beruht darauf, Innovationspotentiale gemeinsam zu nutzen und die eher anwendungsnahe Forschung in beiden Ländern zu intensivieren. Das wollen wir in so genannten Zwei-plus-zwei-Projekten tun. Das sind Projekte, in denen immer mindestens ein wissenschaftlicher Partner und ein Industriepartner sowohl auf deutscher als auch auf türkischer Seite in einem Projekt miteinander arbeiten sollen.
Die zweite Säule zielt darauf ab, die Forschungszusammenarbeit mit den exzellenten Partnerorganisationen in beiden Ländern nachhaltig zu intensivieren. In Deutschland sind das für den außeruniversitären Bereich zum Beispiel die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft.
Drittens wollen wir exzellente Nachwuchswissenschaftler in beiden Ländern gezielt fördern. Und viertens wollen wir der jungen Generation eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung in beiden Länder bieten, indem wir die duale Berufsausbildung intensivieren.
Das Internationale Wissenschaftsjahr richtet sich insbesondere an Studierende und Auszubildende. Junge Leute aus Deutschland gehen für ihre Ausbildung oder für ihr Studium aber eher in die USA, nach England oder Frankreich. Soll das Ende 2014 anders sein: Wollen sie die jungen Deutschen auch für die Türkei begeistern?
Auf jeden Fall! Eines ist dabei wichtig: Die USA, Australien, Neuseeland oder Japan sind wichtige Industrienationen, die schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten den internationalen Austausch pflegen. Die Türkei hat seit einigen Jahren nennenswerte Erfolge in der Wissenschaft und ein stabiles Wirtschaftswachstum. Sie liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa und bildet die Brücke zum asiatischen Raum.
Außerdem leben in Deutschland sehr viele türkischstämmige Menschen. Wir haben also eine enge Verbindung miteinander. Insofern ist da eine engere Beziehung als es oft wahrgenommen wird. Und wir werden Projekte initiieren, mit der wir diese Kooperationen in diesem Jahr weiter voranbringen wollen.
Der Studienstandort Türkei bekommt gerade ein paar Kratzer. Denn die Regierungspartei AKP reglementiert und kontrolliert das Leben der Studierenden. Wie ärgerlich ist das für Sie als Organisator des gemeinsamen Wissenschaftsjahres?
Das ist sicherlich ein Aspekt, auf den wir kritisch schauen. Auf der anderen Seite ist ein solches Wissenschaftsjahr ideal geeignet, hier einen Akzent zu setzen, auch mit Blick auf die Freiheit der Wissenschaft. Denn es adressiert die Zivilgesellschaft und die Eliten dieses Landes.
Im Übrigen haben wir als Flaggschiff des Deutsch-Türkischen Wissenschaftsjahres die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul, die in diesem Wintersemester die ersten Studierenden aufgenommen hat. Das ist ein schönes Signal, es ist das Ergebnis des Bohrens sehr dicker Bretter und ein Erfolg in der Bildungskooperation.
Dieses und andere Beispiele zeigen das Potential institutioneller Kooperation zwischen beiden Ländern. Und diese Form der Kooperation wird Einfluss auf die jeweiligen Systeme haben. Ich bin optimistisch, dass diese verstärkte Kooperation ihre Wirkung auch in der Türkei entfalten wird.
Das Interview führte Svenja Üing.