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Rio hängt die Messlatte niedrig

Donna Bowater (Rio de Janeiro) / cr27. April 2016

Die Olympischen Spiele in Rio finden in schweren Zeiten statt: 100 Tage vor dem Beginn ächzt das Gastgeberland Brasilien unter einer politischen Krise, einem Korruptionsskandal und einer wirtschaftlichen Rezession.

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Logo der Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro auf einer Sandburg am Strand (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/M.Sayao

Damit betrete Brasilien die Weltbühne, sagte der damalige Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva, als Rio de Janeiro den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016 erhielt. Der Kosum boomte, Brasilien galt als aufstrebende Wirtschaftsnation, ein Machtzentrum der Zukunft, die Olympischen Spielen schienen die Krönung dieser Entwicklung.

100 Tage bevor die Flamme im Estádio do Maracana in Rio entzündet wird, schaut die Welt jedoch aus ganz anderen Gründen nach Brasilien, aus Gründen, die die ersten Spiele auf dem südamerikanischen Kontinent überschatten können. Eine politische Krise könnte zur Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff führen, ein nie dagewesener Korruptionsskandal und eine wirtschaftliche Rezession bringen die Brasilianer auf die Palme. Die Fertigstellung der Wettkampfstätten, die Vorbereitungen für die Spiele - das alles tritt in den Hintergrund.

"Politisches Chaos bei einer gleichzeitigen ökonomischen Katastrophe – das ist eine Art verdrehter olympischer Glücksfall, in dem Sinne, dass der politische und wirtschaftliche Doppelschlag die Aufmerksamkeit von Rio 2016 ablenkt", sagt Julies Boykoff, Autor des Buches: "Power Games: A Political History of the Olympics" und Politikdozent an der Universität Oregon. "Die Messlatte für die Spiele hängt wirklich niedrig."

Luftaufnahme des Maracana Stadion in Rio de Janeiro (Foto: Getty Images)
Die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Rio laufen auf HochtourenBild: Getty Images/M. Tama

"Austeritätsspiele"

Die Turbulenzen sorgen für gedämpfte Olympische Spiele, die von einigen bereits als "Austeritätsspiele" bezeichnet werden. Nawal el Moutawakel, der Vorsitzende der Koordinierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bezeichnet das Klima in Brasilien als eine "komplexe Umgebung, politisch wie ökonomisch".

Die Organisatoren haben von Beginn an gesagt, das Budget von umgerechnet 1,8 Milliarden Euro für Rio 2016 dürfe nicht überschritten werden. Aber als die schlimmste Rezession seit drei Jahrzehnten das Land traf – mit einem Minus von 3,8 Prozent im letzten Jahr – strichen die Organisatoren die Ausgaben um gut 200 Millionen Euro zusammen.

"Wir mussten die Ausgaben reduzieren und das Budget ausgleichen", sagt Mario Andrada, Pressesprecher von Rio 2016. "Normalerweise ist man bei den Spielen mit den Ausgaben recht entspannt. Wir können uns nicht entspannen. Wir müssen klarmachen, dass alles, was wir ausgeben, einen Grund hat." Niemand bekomme einen Blankoscheck, sagt Andrada. "Wir müssen eine wichtige Botschaft an die Menschen senden, eine Botschaft der Transparenz, aber auch die Botschaft, dass wir nicht zuviel ausgeben."

Das Organisationskomitee sagt, die Marktforschung habe eine Unterstützungsrate für die Spiele von 70 Prozent ermittelt. Man sei "auf dem richtigen Weg", 80 Prozent der verfügbaren Tickets seien bereits verkauft.

Als vergangene Woche die olympische Flamme in Griechenland entzündet wurde, wurden dennoch Fragen zum öffentlichen Engagement für die Spiele laut. Präsidentin Rousseff, die eigentlich zu der Zeremonie erwartet worden war, sagte ihre Reise nach Griechenland ab, als das Amtsenthebungsverfahren gegen sie startete. Die Organisatoren hoffen, dass der Fackellauf, der am 3. Mai beginnt, eine Art "Wunderwaffe" für Rio 2016 wird.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (Foto: Agência Brasil/Valter Campanato)
Präsidentin Dilma Rousseff muss sich einem Amtsenthebungsverfahren stellenBild: Agência Brasil/Valter Campanato

Treibstoff für Unruhe

Mittlerweile wächst die Sorge, dass die politischen Proteste im Vorfeld auf die Spiele, die am 5. August beginnen sollen, überschwappen könnten.

"Wir haben jeden Anlass für Proteste", sagt Boykoff, der im vergangenen Jahr vier Monate in Rio verbracht hat. "Die Ausgaben sind hoch, es gibt Umsiedelungen, wir werden eine Militarisierung des öffentlichen Raumes sehen. Ich habe in Rio mit vielen Menschen aus allen politischen Lagern gesprochen, und es war sehr schwer, irgendjemanden zu finden, der sich auf die Spiele freut."

Das Bild der Spiele wurde auch durch den milliardenschweren Korruptionsskandal beschmutzt, der das Land erschüttert. Die seit zwei Jahren laufenden Ermittlungen haben ein massives Bestechungssystem innerhalb des staatlichen Ölkonzerns Petrobras ans Licht gebracht, in das einige der größten Baufirmen des Landes verwickelt sind.

Im vergangenen Monat wurden 15 Personen festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte Dokumente, die laut Medienberichten ein "paralleles Abrechnungssystem" aufdeckten. Mitglieder der Regierung des Bundesstaates, die in Verbindung mit der Nachnutzung der olympischen Infrastruktur stehen, sollen darüber bezahlt worden sein. Bei den Vorwürfen geht es um die Verlängerung der Metrolinie, mit der der Strand mit den Stadtteilen im Westen verbunden werden soll sowie die Wiederherstellung des Hafengebietes durch den Baukonzern Odebrecht.

Die Metro, deren Eröffnung mehrfach verschoben wurden, wird "provisorisch" etwa einen Monat vor Beginn der Spiele eröffnet, obwohl die Staatsregierung von der Bundesregierung zusätzliche 250 Millionen Euro verlangt, um die Linie fertigzustellen.

"Es gibt genügend Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei den Baufirmen, die die olympischen Einrichtungen bauen", sagt der Regierungsberater Jefferson Moura, der eine Untersuchung der Ausgaben für die Olympischen Spiele fordert.

Die Kampagne für eine Untersuchung der Verträge für die Spiele hat Fahrt aufgenommen, nachdem ein 50-Meter-Abschnitt eines neuen Küstenfahrradwegs vergangene Woche einstürzte. Zwei Menschen starben. Die umgerechnet 11 Millionen Euro teure Route war im Januar eingeweiht worden und eines der olympischen Projekte, das die Verbindung zwischen dem Süden und dem Westen der Stadt auch nach den Spielen verbessern sollte. Die Stadverwaltung von Rio hat eine umfassende Untersuchung des Unglücks angekündigt.

Bühne für die Athleten

Die Organisatoren hätten nichts falsch gemacht, sagt Andrara. "Wir können für die guten Nachrichten sorgen, denn wir haben die Spiele rechtzeitig geplant, das Budget eingehalten, und das wird zeigen, wie die Brasilianer Hindernisse überwinden", sagt er. "Wir haben die Spiele sozusagen in Zeitlupe mit dem Land geplant. Wenn sie starten, soll die Bühne den Athleten gehören."