Rio: Wer zahlt die Zeche?
1. August 2016Dieser Sturm hat Rio gerade noch gefehlt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag zog ein Unwetter über die Olympia-Stadt und zerstörte die Zugangsrampe für die Segler im Marinehafen im Stadtteil Gloria. Fünf Tage bleiben dem Organisationskomitee nun, um den Schaden zu beheben.
"Wir sind den Launen der Natur ausgeliefert", kommentierte Carlos Arthur Nuzman, Chef des lokalen Organisationskomitees Rio 2016, die jüngste Panne bei den Vorbereitungen der Spiele schlicht. Schließlich gebe es bei Windstille auch keine Regatta, zitierte ihn die brasilianische Tageszeitung "Globo".
Doch wer zahlt für die Reparatur der Schäden? Nur wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vom 5. bis 21. August ist der Streit über die Kosten für die Ausrichtung des weltweiten Sportevents erneut entbrannt.
Deutscher Standard ist nicht gefragt
"Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird sich etwas ausdenken müssen, wie es in Zukunft das Konzept so verändert, dass sich für die Olympia-Kandidatur in mindestens drei bis vier Städten der Welt eine Mehrheit der Bevölkerung findet, die für Olympia ist", meint Sportökonom Wolfgang Maennig. Das IOC und dessen Anforderungen müssten sich an die Gegebenheiten in den Gastländern anpassen, so Maennig.
Er muss es wissen. 1988 bei den Sommerspielen in Seoul selbst Olympia-Sieger im Rudern, unterstützte er im Anschluss die deutschen Städte München, Leipzig und Berlin bei ihren Bewerbungen für die Olympischen Spiele. In Rio wird der Sportökonom, der an der Universität Hamburg lehrt, bei mehreren Podien über die künftige Finanzierung Olympischer Spiele mitdiskutieren.
"Es wird die große Aufgabe des IOCs sein, in Zukunft bei den Auflagen für Sportstätten sehr viel flexibler zu sein", ist er überzeugt. Das betreffe sowohl die Zahl der Zuschauer als auch die Sicherheitsstandards. Maennig: "Alles, was das IOC fordert, ist schweizerischer oder deutscher Standard, und das ist nun einmal nicht so, wie der Rest der Welt bauen möchte."
Der Steuerzahler zahlt drauf
Rund zehn Milliarden Euro kostet die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Rio. Der Streit um die Kosten betrifft nicht die Summe insgesamt, sondern die Aufteilung in private und öffentliche Mittel. Nach offiziellen Angaben wird die Mehrheit der Kosten, 57 Prozent, von privaten Investoren getragen werden.
Die Kritiker vom Volkskomitee WM und Olympia machen eine andere Rechnung auf. Ihren Kalkulationen zufolge ist die öffentliche Hand mit 63 Prozent beteiligt, aus privaten Kassen stammen hingegen nur 37 Prozent. Das IOC, so die Kritik, hätte Steuererleichterungen und Gegenleistungen bei öffentlich-privaten Partnerschaften in ihren Rechnungen nicht berücksichtigt.
Unvorhersehbare Kosten wie die Reparatur von Sportstätten oder die Bekämpfung des Zika-Virus sind in den normalen Budgets nicht berücksichtigt. IOC-Chef Thomas Bach beschwor deshalb nach seiner Landung in Rio den Zusammenhalt der olympischen Familie. "Wir werden dem lokalen Organisationskomitee bei Liquiditätsengpässen aushelfen", versicherte er vor der Presse in Rio. "Wir werden alles tun, um erfolgreiche Spiele zu garantieren."
Verluste verboten
Vertragsgemäß finanziert das IOC jeweils etwas mehr als die Hälfte der Ausgaben des lokalen Organisationskomitees. Um dem Komitee in Rio finanziell unter die Arme zu greifen, kündigte IOC-Chef Bach nun an, dass die geplanten Überweisungen in Höhe von jeweils rund 500 Millionen Euro aufgrund der aktuellen Lage vorgezogen werden könnten.
Dass Olympische Spiele mit einem Minus auf dem Konto des IOC enden könnten, ist ausgeschlossen. Denn genau wie der Weltfußballverband Fifa lässt sich auch das IOC von der jeweiligen Regierung eine Garantie dafür geben, dass alle Defizite von den austragenden Ländern übernommen werden.
Genau daran muss sich nach Meinung von Sportökonom Maennig etwas ändern. Um das Interesse von Städten an der Ausrichtung von Olympischen Spielen wiederzubeleben, müsse das IOC nicht nur seine Anforderungen zurückschrauben, sondern auch seine Zuschüsse an das jeweilige lokale Organisationskomitee erhöhen.
Mehr Geld vom IOC
"Wir haben einen Punkt erreicht, an dem man sich fragen könnte, ob es nicht sinnvoll wäre, dass das IOC sagt, das Olympiastadion mit 20.000 Zuschauern, das Ihr braucht, das finanzieren wir Euch. Das ist unser Geschenk an die Ausrichterstadt. Das müsste meines Erachtens möglich sein."
Ein kleines Geschenk haben die Cariocas, wie sich die Einwohner Rios nennen, aufgrund der Olympischen Spiele bereits erhalten. Nach einer Studie des Forschungsinstituts "Fundação Getúlio Vargas" stieg das Pro-Kopf-Einkommen in der Metropole zwischen 2008 und 2016 um 30 Prozent - von umgerechnet 415 Euro auf 541 Euro im Monat. Im Rest des Landes lag die Rate bei 19,6 Prozent.
"Die Olympischen Spiele halten die Wirtschaft in Rio am Laufen", erklärt Ökonom Marcelo Neri von der "Fundação Getúlio Vargas". Während in den umliegenden 18 Gemeinden der Metropole das Einkommen wegen der brasilianischen Wirtschaftskrise stagniere, hielte in Rio das Wachstum an.
Eine Motivation für Rom, Paris, Budapest oder Los Angelos, die sich für die Olympischen Spiele 2024 bewerben? Für Hamburg, das sich in einer Volksabstimmung gegen die Bewerbung entschied, war es dies offensichtlich nicht.