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Robinhood & Co: Zuviel Spaß mit Trading-Apps?

Kristie Pladson
15. Februar 2021

Finanzaufsichtsbehörden nehmen Investment-Apps wie Robinhood unter die Lupe. Die machen durch ihr spielerischen Funktionen süchtig, sagen Kritiker. Junge Nutzer könnten das tatsächliche Risiko deshalb nicht einschätzen.

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Symbolfoto | App Robinhood
Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/picture alliance

Im Juni 2020 nahm sich ein 20-jähriger US-Student das Leben, nachdem er laut Handy-App, die er für Aktienkäufe nutzte, 730.000 Dollar im Minus lag. Später stellte sich heraus, dass der junge Mann die Daten falsch verstanden hatte. Doch da war es schon zu spät.

Seine Familie hat nun Klage gegen die Trading-App Robinhood eingereicht und wirft der US-Firma vor, den frühen Tod ihres Sohnes und Bruders verschuldet zu haben.

Die Klage kommt, nachdem Kleinanleger, angefeuert von Gerüchten und Absprachen auf der Social-Media-Plattform Reddit, die Preise der Gamestop-Aktie vor einigen Wochen in die Höhe getrieben und die Märkte erschüttert hatten. Viele von ihnen nutzten nach eigenen Angaben Trading-Apps wie Robinhood.

Einige haben dabei Tausende oder gar Hunderttausende Dollar verdient. Dies hat die Aufmerksamkeit auf den wachsenden Einfluss eines neuen Anlegertyps gelenkt - Personen, die Aktien über ihr Smartphone handeln.

Allerdings haben viele mit Gamestop-Aktien auch Geld verloren. Die Klage gegen Robinhood dient daher auch als Mahnung: Wenn jeder mit einem Smartphone und ein bisschen Kleingeld Daytrading betreiben kann, bringt das viele neue Risiken mit sich.

Schuldzuweisungen

"Er hätte ihm von vornherein nicht gestattet sein sollen, mit diesen komplizierten Optionen zu handeln", sagte der Vater des gestorbenen jungen Mannes gegenüber CNN. "Er hatte keine Ausbildung, kein Einkommen und keine Qualifikation, um solche komplizierten Trades zu machen."

Im Reddit-Forum r/wallstreetbets, dessen Nutzer die Gamestop-Aktien auf eine Achterbahnfahrt geschickt hatten, zeigten sich einige User besorgt.

"Wir machen das aus Spaß, aber einige Leute verlieren dabei so viel Geld, dass sich ihr Leben verändert. Robinhood sollte hier etwas Verantwortung übernehmen", schrieb ein Nutzer. Es war sein Kommentar zu einem Artikel, in dem ein US-Professor davor warnte, dass Online-Aktienhandel junge Menschen süchtig machen könne.

"Die Leute könnten auch einfach Verantwortung für sich selbst übernehmen", antwortete ein anderer und fügte hinzu, er wolle keine "Kinder-App".

Social Media trifft Börse

Regulierungsbehörden fragen sich unterdessen, ob die Trading-Apps nicht schon viel zu sehr wie Apps für Kinder sind. So kritisierte die US-Börsenaufsicht Robinhood im vergangenen Jahr für die "Gamifizierung" der Geldanlage, ein Vorwurf, der in den vergangenen Wochen immer wieder auftauchte. Gamifizierung (engl. Gamification) bezeichnet die Einbindung von Spielelementen in einen anderen Kontext.

Tatsächlich nutzt Robinhood eine spielerische Grafik und Social Media, um den Spaßfaktor beim Aktienhandel zu erhöhen. Die ersten Trades neuer Nutzer werden mit einem animierten Konfetti-Regen auf dem Bildschirm gefeiert. Investoren können sehen, welche Papiere auf der Plattform gerade besonders beliebt sind, und wenn sie einen Freund dazu bringen, die App ebenfalls zu nutzen, erhöhen sich ihre Chancen, schwer erhältliche Aktien kaufen zu können.

Internetforen zum Onlinehandel vermitteln ein Gemeinschaftsgefühl, und auf TikTok geben Influencer, einige gerade einmal 14 Jahre alt, ihren Millionen Followern Anlage-Tipps - für viele war das eine Möglichkeit, während der Pandemie etwas Spaß zu haben.

"Günstiger Aktienhandel, wie ihn Robinhood möglich gemacht hat - das gehört zu den Themen, die [auf Reddit] sehr populär geworden sind, zumal hier Videospiele schon immer beliebt waren", sagt Christine Lagorio-Chafkin der DW. Sie hat mit dem Buch "We Are the Nerds: The Birth and Tumultuous Life of Reddit, the Internet's Culture Laboratory" eine Art Reddit-Biographie geschrieben.

Viele Nutzer haben sich von Robinhood abgewendet, weil die App zwischenzeitlich den Kauf einiger Aktien blockiert hatte, die in den Reddit-Foren angesagt waren. Aber Alternativen gibt es genug, darunter auch Apps, die auf die Erfahrung, die Vorlieben und den Standort der Nutzer zugeschnitten sind.

Spielsucht

Mit der Verbreitung von Videospielen in den letzten Jahren ist auch die Videospielsucht zu einem Thema geworden, das Eltern und Forscher beschäftigt. Einige befürchten, die gamifizierte Geldanlage könne auf ähnliche Weise süchtig machen.

Eine Sucht nach Börsenspekulationen per App unterscheide sich nicht allzu sehr von einer Glücksspielsucht, meint Gerhard Meyer, Suchtforscher an der Universität Bremen.

"Wer erfolgreich ist, bei dem ruft das natürlich ein Glücksgefühl hervor", sagte er dem Wirtschaftsmagazin "Gründerszene" und beschrieb, was in Anlegern vorgeht, die ihre Aktien steigen sehen. "Auf einmal scheinen die Träume realisierbar, ein Machterleben, die Euphorie wird angeregt. Man hat in kurzer Zeit mit der eigenen Strategie viel Geld verdient."

Fällt der Wert hingegen, kann der Anleger sofort wieder auf ein neues Produkt setzen und das positive Gefühl mit der Hoffnung auf die neue Wette wiederaufleben lassen. "Das ist ein Gefühl, das auch Zocker erleben beim Glücksspiel", so Meyer.

Gamestop im Visier der Aufsichtsbehörden

Regulierungsbehörden in den USA sehen genug Parallelen, um die Sache genauer zu untersuchen. Finanzministerin Janet Yellen hat bereits angekündigt, mit der Börsenaufsicht, der Zentralbank und anderen Behörden besprechen zu wollen, "ob die jüngsten Aktivitäten vereinbar sind mit dem Anlegerschutz sowie fairen und effizienten Märkten".

Auch die Financial Industry Regulatory Authority (FINRA), eine Organisation zur Selbstregulierung der Finanzindustrie, hat die Gamifizierung der Märkte zu einem Schwerpunktthema dieses Jahres erklärt.

"Wenn die Handels-App ihrer Firma 'spielähnliche' Elemente enthält, mit denen Kunden dazu gebracht werden sollen, sich auf bestimmte Geschäfte und Aktivitäten einzulassen - wie geht ihre Firma mit den damit verbundenen Risiken um und wie macht sie Kunden darauf aufmerksam?", fragte FINRA im Februar seine Mitglieder in einem Report.

Was denken junge Menschen?

"Es ist wichtig, zwischen zugänglichem, modernem Design und Gamifizierung zu unterscheiden", sagte dagegen ein Sprecher von Robinhood im vergangenen Jahr, um die Praktiken seines Unternehmens zu verteidigen.

Angesichts der Aufmerksamkeit und der beträchtlichen Verluste einiger Anleger im Zuge der Gamestop-Spekulation ist es unwahrscheinlich, dass Robinhood mit dieser Argumentation bei den Regulierern durchkommt.

Gleichzeitig bezweifeln einige Trader auf Reddit, dass es den Aufsichtsbehörden wirklich darum geht, unbedarfte Anleger zu schützen.

"Sie haben Angst davor, dass die junge Generation das Spiel verändert", schrieb ein User im Forum r/wallstreetbets. "Es wird einen Paradigmenwechsel geben und die (Baby-)Boomer müssen 'raus aus ihrer Komfortzone."

"Ja, wie könnte unsere Generation auch sonst überleben?", antwortete ein anderer. "Keine Renten, keine Gewerkschaften, keine Loyalität der Arbeitgeber. Investieren ist die einzige Chance, nicht bis zum Ende des Lebens arbeiten zu müssen."

"Und so wie der Klimawandel läuft", fügte ein Dritter hinzu, "bleiben uns ohnehin nur noch etwa 20 Jahre normaler Zivilisation, um an das ganze Geld zu kommen und zu versuchen, damit etwas Spaß zu haben."

 

Adaption aus dem Englischen von Andreas Becker

Gamification im Büro