Rollt die dritte Corona-Welle auf Deutschland zu?
20. Februar 2021In Deutschland mehren sich Hinweise auf eine mögliche neue Verschärfung der Corona-Pandemie. Nachdem die sogenannte Reproduktionszahl des Erregers über Wochen hinweg unter eins lag, hat sie nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) diese wichtige Schwelle jetzt erstmals wieder überschritten.
Das RKI gab den bundesweiten Sieben-Tage-R-Wert am Samstag mit 1,07 an. Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 107 weitere Menschen anstecken. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich die ansteckenderen Virusvarianten trotz des Lockdowns rascher ausbreiten. RKI-Präsident Lothar Wieler hatte am Freitag erklärt, der Anteil der Virusvariante B.1.1.7., die nach konservativen Schätzungen um 35 Prozent ansteckender ist, steige in Deutschland rasant an.
9164 Neuinfektionen
"Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt. Der rückläufige Trend der letzten Wochen setzt sich offenbar nicht mehr fort", sagte Wieler. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert, der angibt, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in diesem Zeitraum infizieren, stieg auf 57,8. Am Freitag betrug er noch 56,8. Die Gesundheitsämter meldeten 9164 Neuinfektionen und 490 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden.
Bei den Neuansteckungen und der Sieben-Tage-Inzidenz hatten sich in den vergangenen Tagen kaum Veränderungen gezeigt - trotz des anhaltend strengen Lockdowns. Der Anstieg des R-Werts lässt nun aufhorchen. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. Liegt er über 1, gewinnt es an Dynamik. Noch am Mittwoch hatte das RKI den R-Wert mit 0,85 angegeben.
"Nicht nach ein paar Wochen wieder alles schließen"
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil warnte angesichts der Gefahren durch die Virusvarianten vor einer vorschnellen Rücknahme der Corona-Maßnahmen. Bund und Länder müssten gemeinsam ein vernünftiges Öffnungskonzept entwickeln, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Das muss so sicher sein, dass wir nicht nach ein paar Wochen wieder alles schließen müssen, was wir gerade erst geöffnet haben." An diesem Montag nehmen in weiteren zehn Bundesländern die Grundschulen wieder ihren Betrieb auf, auch Kitas werden wieder hochgefahren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sprach von einem "hohen Risiko" für die Gesundheit von Lehrern und Schülern.
In Flensburg hat die britische Mutante bereits die Oberhand gewonnen. Nach Angaben von Oberbürgermeisterin Simone Lange werden hier fast nur noch Infektionen mit dieser Variante festgestellt. Seit diesem Samstag ist in Flensburg eine Ausgangssperre zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr in Kraft, Ausnahmen gelten etwa für den Weg zur Arbeit oder zum Arzt. Private Treffen sind untersagt.
Mittlerweile zählt die Stadt an der dänischen Grenze bundesweit zu den Corona-Hotspots: Der Sieben-Tage-Inzidenzwert liegt bei 192. Dänemark schloss deshalb mehrere kleinere Grenzübergänge nach Deutschland. Wichtige Übergänge wie Frøslev, Kruså und Padborg sollten zwar offen bleiben. Dort werde aber "wesentlich intensiver" kontrolliert, teilte das Justizministerium in Kopenhagen mit.
Nachdem die Werte in Dänemark zuletzt auf vergleichsweise niedrigem Niveau verharrten, rechnet das nationale Gesundheitsinstitut SSI nun wieder mit einem Anstieg der Infektionszahlen und der Krankenhausaufenthalte. Die Zahl der Neuinfektionen in dem Sechs-Millionen-Einwohner-Land stieg auf 552, was dem höchsten Wert seit zwei Wochen entspricht - allerdings vor dem Hintergrund einer höheren Testquote. Seit zwei Wochen dürfen auch in Dänemark die Kinder bis zur vierten Klasse wieder zur Schule gehen. Alles andere, darunter Geschäfte und Restaurants, bleibt noch mindestens bis Ende des Monats geschlossen.
jj/djo (dpa, afp, rki, flensburg.de)