Abschiebung in die Armut?
19. November 2009Anfang November im Norden der geteilten Stadt Mitrovica. Es geht vorbei an heruntergekommenen Wohnblocks zum Lager Osterode, einem ehemaligen französischen KFOR-Stützpunkt. Hinter einem drei Meter hohen Zaun mit zwei Reihen Stacheldraht oben drauf reihen sich Baracke an Baracke und Wohncontainer an Wohncontainer. In einem kleinen Häuschen am Eingang befindet sich das Büro der Lagerleitung. Igor Zlatkovic, der Chef, teilt sein kleines Büro mit zwei Kollegen. Er ist ein kleiner, freundlicher Mann um die 40, der sich respektvoll von seinem Platz erhebt, wann immer ein Bewohner sein Büro betritt. "Momentan leben knapp 100 Familien in diesem Auffanglager mit insgesamt 380 Personen“, sagt Zlatkovic. Die Aufgabe des Managementteams ist Zlatkovic zufolge die Verbesserung der Wohnverhältnisse im Lager Osterode. Außerdem der Erhalt der Infrastruktur sowie die Organisation von Aktivitäten im Zentrum für Frauen und Jugend und der Betrieb der Krankenstation. “Zu den Verhältnissen hier kann ich sagen, sie sind ausreichend, aber nicht gut, und schon gar nicht ideal", so Zlatkovic.
“Pures Elend“
In das Gespräch mit Zlatkovic platzt Halil Toska hinein, ein Bewohner des Lagers. Er erkundigt sich nach einer Hilfslieferung, die im Lager erwartet wird. Dann bemerkt er den Reporter. Er stamme aus Bair im Süden von Mitrovica, erzählt er. Aber dahin könne er seit dem Ende des Krieges nicht mehr zurück. Hier im Lager, sagt er, herrsche das pure Elend: "Ich habe zwei Kinder und ich bekomme keine Hilfe. Meine Lage ist sehr schlecht. Niemand kümmert sich um uns. Jetzt fängt der Winter an, es ist kalt und wir haben noch nicht mal einen Ofen." Den Bewohnern des Lagers mangelt es am Nötigsten. Deshalb sind sie auch entschieden gegen die Aufnahme von Rückkehrern aus Deutschland.
Rückkehrer wollen nach Deutschland
Ein Jugendlicher mit blonden Strähnchen kommt auf mich zu und spricht mich auf Deutsch an. Sein westfälischer Tonfall ist unverkennbar. "Ich bin Dzemzit Jahirovic, ich komme aus Kosovska Mitrovica. Ich war in Deutschland 16 Jahre lang, Kreis Steinfurt. Ich habe meine Schule dort beendet, ich habe meine Lehre dort beendet. Hier gibt es keine Arbeit und es ist ziemlich schwer für mich und meine Familie. Ich werde in zwei Monaten 19 Jahre alt. Ich habe meine Schule beendet als KFZ-Mechaniker beim Autohaus Citroen. Ich sagte, mein Wunsch und Familienwunsch wäre, dass wir wieder nach Deutschland zurückgehen, und wenn ich noch einmal nach Deutschland käme, würde ich wohl den Boden küssen von Deutschland. Ich habe auch in Deutschland gesagt, ich kenne kein anderes Land. Meine Familie auch. Unser Land ist Deutschland, weil wir sind hier nicht geboren." Auch Dzemzit ist gegen die Abschiebung weiterer Roma-Flüchtlinge. Er nutzt die Gelegenheit und bittet gleich alle Deutschen: "Ich würde eine richtig große Bitte haben: Eine Bitte an Sie: Machen Sie, dass sie die Roma nicht abschieben, hier gibt es kein Leben."
Kein Platz für Rückkehrer?
Dzemzit führt mich durch das Lager. Es gibt eine Hierarchie in der Armut. Wem es ein wenig besser geht, wohnt in einem steinernen Haus, wer weniger hat in einem Wohncontainer aus Blech unter dem großen Satteldach, und die Ärmsten wohnen in winzigen Baracken, teilweise mit kleinen blechernen Verschlägen davor. Der Regen ist stärker geworden. Kaum jemand hält sich noch draußen zwischen den Wohnbaracken auf. Außerdem haben viele Bewohner die Nase voll von Reportern. Aber Dzemzit klopft an eine Tür und vermittelt. Als die Menschen erfahren, worum es geht, reden sie bereitwillig. "Wir haben es nicht gut hier. Uns hilft niemand hier. Wir haben kein Holz, kein Essen, keine Heizung. Die Kinder laufen barfuß. Wir suchen in den Müllcontainern nach Essen." Safeta übertreibt nicht. Tatsächlich steht ein kleines Mädchen mit nackten Füßen, zitternd vor Kälte auf dem nassen Asphalt. Und Safeta selbst ist offensichtlich unterernährt. Einen Zuzug von Rückkehrern auf Deutschland hält sie für völlig ausgeschlossen. Safetas elfköpfige Familie bewohnt ein Zimmer mit zwei winzigen Nebenräumen. "Wir haben noch nicht mal Platz für uns selbst, ganz zu schweigen für die Rückkehrer."
Autor: Esat Ahmeti
Redaktion: Bernd Johann