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Ruanda: Referendum mit Widerspruch

Jesko Johannsen17. Dezember 2015

Soll Präsident Paul Kagame eine weitere Amtszeit regieren dürfen? Darüber stimmen die Ruander bis Freitag ab. Die Zustimmung ist hoch, aber offenbar zum Teil erzwungen. Viele trauen sich nicht, Nein zu sagen.

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Ruanda Verfassungsreferendum (Foto: DW/Jesko Johannsen)
Befürworter der Verfassungsänderung feiern ihren sicheren SiegBild: DW/J. Johannsen

Wenn es regnet, kommt in Ruanda das Leben normalerweise zum Stillstand. Diesmal ist das anders. Auf einem Schulhof am Rande der Hauptstadt Kigali haben sich hunderte Menschen versammelt - und sie bleiben auch, als es anfängt zu regnen. Sie sind zu einer Wahlkampfveranstaltung für das zweitägige Verfassungsreferendum gekommen, das an diesem Freitag beginnt. Reden werden gehalten. "Stimmt mit Ja!" steht auf Plakaten. Die Botschaft ist deutlich: Die Verfassung soll geändert werden und Ruandas Präsident Paul Kagame 2017 noch ein drittes Mal kandidieren dürfen. Laut der aktuellen Verfassung wäre für ihn nach zwei Amtszeiten Schluss.

Auch der Parlamentsabgeordnete Zeno Mutimura von der Regierungspartei Ruandische Patriotische Front (RPF) ist gekommen: "Die Menschen haben darum gebeten, dass die Verfassung geändert wird, damit der Präsident sich 2017 zur Wiederwahl stellen kann - wenn er das will."

Kagame könnte 31 Jahre regieren

Damit meint Mutimura die Petition, die 3,7 Millionen Ruander im Sommer unterschrieben und beim Parlament eingereicht haben. Jetzt liegt der neue Verfassungsentwurf zur Abstimmung vor. Im Kern erlaubt sie Präsident Kagame eine dritte Amtszeit für sieben Jahre. Und auch danach dürfte er noch zweimal antreten - und dann jeweils fünf Jahre lang regieren. Kagame könnte also nach seiner jetzigen Amtszeit weitere 17 Jahre an der Staatsspitze stehen. Insgesamt wäre er dann 31 Jahre lang an der Macht.

Paul Kagame (Foto: rtr)
Ruandas Präsident Paul KagameBild: Reuters/A. Kelly

Die internationale Gemeinschaft sieht das Referendum kritisch. So erklärte etwa die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Anfang Dezember: "Die Änderung von Artikeln, die sich allein auf ein Individuum beziehen, schwächt die Glaubwürdigkeit einer Verfassungsreform. Sie untergräbt die Grundsätze eines demokratischen Machtwechsels."

Referendumsgegner haben Angst

In Ruanda dagegen gibt es kaum offenen Widerspruch gegen die geplante Verfassungsänderung - eine öffentliche Debatte blieb praktisch aus. Das Referendum sei somit keine echte politische Entscheidung des Volkes, sagt der Journalist Gonza Muganwa. "Abweichende Meinungen gibt es offiziell nicht. Die Regierungspartei und ihre Verbündeten dominieren die Politik vollständig."

Bürger, die gegen die Verfassungsänderung sind, wollen anonym bleiben. "Wir trauen uns nicht, etwas zu sagen, weil dann unser Leben in Gefahr ist", sagt einer. "Einige Leute sind im Gefängnis gelandet, andere werden verfolgt oder sind verschwunden." Ein weiterer Referendumsgegner fügt hinzu: "Kagame hat gesagt, dass er nur zweimal antreten wird. Diese ganze Abstimmung ist eine Lüge."

Ruanda Gegner einer dritten Amtszeit sprechen nur anonym (Foto: DW/Jesko Johannsen)
Gegner einer dritten Amtszeit sprechen nur anonymBild: DW/J. Johannsen

Widerstand leistete immerhin die Demokratische Grüne Partei Ruandas (DGPR), die einzige unabhängige Oppositionspartei des Landes. Sie will einen demokratischen Machtwechsel, wenn Kagames Mandat 2017 endet. Deshalb hat die Partei vor dem Obersten Gericht gegen das Referendum geklagt - erfolglos. Dann wurde der Termin für das Referendum gerade einmal mit einer Woche Vorlauf angekündigt. "Wir konnten keinen Wahlkampf machen", sagt Grünen-Generalsekretärin Carine Maombi. "Es gab keine Zeit für eine Kampagne oder Debatte."

Jeder muss mitmachen

Dabei scheint die Stimmung im Land auf den ersten Blick eindeutig: Eine Mehrheit wolle die Verfassung ändern, damit Präsident Kagame im Amt bleiben könne, sagt auch Journalist Muganwa. Denn viele Ruander fürchten ein Machtvakuum: Kagame hat keinen Nachfolger aufgebaut, eine echte Alternative zu ihm gibt es derzeit nicht. "Die Regierungspartei besteht fast vollständig aus loyalen Kagame-Anhängern", so Muganwa. Und: Als Präsident habe Kagame in der Tat viel erreicht, räumt der Journalist ein. "Er hat die RPF zum Sieg geführt, und er hat als Präsident viel für das Land getan." Nach dem Genozid von 1994 hat Kagame Ruanda zu einem wirtschaftsstarken und politisch stabilen Land in der von Unruhe geprägten Region gemacht.

Ruanda Gonza Muganwa (Foto: DW/J. Johannsen)
Kritisiert die fehlende Debatte: Journalist Gonza MuganwaBild: DW/J. Johannsen

Aber rechtfertigt das, Wähler unter Druck zu setzen? Kaum einer kann sich der Abstimmung entziehen. In einem Stadtteil mitten in Kigali geht ein Mann in Kampfanzug durch die Straßen und treibt die Leute per Megafon zusammen: "Die Versammlung beginnt jetzt auf dem Platz. Alle Anwohner müssen daran teilnehmen", ruft er. Auf der Veranstaltung schwört er die Bewohner darauf ein, beim Referendum mit "Ja" zu stimmen.

"Die meisten von uns sind für die Verfassungsänderung. Die Gegner wollen wir hier gar nicht haben", sagt der Bezirksbürgermeister. Dann zeigt er einen nachgemalten Stimmzettel. "Wir brauchen nur das Kästchen für die Ja-Stimme", sagt er. Ein junger Mann pflichtet ihm bei und erntet Applaus. Wer während der Veranstaltung gehen will, wird vom Dorfvorsteher zurückgeholt. Diskutiert wird hier nicht. Niemand sagt etwas gegen die Verfassungsänderung oder stellt eine Frage. Am Ende werden Jubelrufe auf Paul Kagame angestimmt.

Haben alle freiwillig unterschrieben?

Mit 3,7 Millionen Unterschriften hat mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten dafür gestimmt, dass das Referendum stattfindet. Doch es gibt Zweifel. Viele Ruander sollen mehrfach oder unter Zwang unterschrieben haben. "Bei Gemeindeveranstaltungen haben wir Formulare bekommen", erzählt ein Regierungsgegner. Darauf habe gestanden, dass der Präsident nochmal kandidieren solle. "Vor den Augen des Dorfvorstehers mussten alle unterschreiben."

Ruanda Verfassungsreferendum Anweisungen zum Ausfüllen des Stimmzettels (Foto: DW/Jesko Johannsen)
Bürger bekommen Anweisungen zum Ausfüllen des StimmzettelsBild: DW/J. Johannsen

Auch Maombi von den oppositionellen Grünen hat Zweifel, dass die hohe Zustimmungsrate der Petition das wahre Stimmungsbild der Bevölkerung wiedergibt. "Viele wissen nicht, was sie da unterschrieben haben."

Zurück zur Kampagne am Stadtrand von Kigali: Politiker und Anwohner tanzen ausgelassen und fröhlich - obwohl es regnet. Der Abgeordnete der Regierungspartei Zeno Mutimura hat keinerlei Zweifel an der demokratischen Legitimität des Referendums. "Was ist Demokratie, wenn nicht, dass Menschen ihren Willen in einem Referendum oder durch ihre Parlamentarier ausdrücken können? Das ist mein Verständnis von Demokratie."

Präsident Kagame selbst schweigt sich bislang darüber aus, ob er 2017 wieder antreten will. Aber dass es dann einen demokratischen Machtwechsel in Ruanda geben wird, scheint mehr als unwahrscheinlich.