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"Paukenschlag möglich"

Philipp Bilsky14. Mai 2015

Für drei Tage reist der indische Premierminister Narendra Modi nach China – zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt. Schwierige Gesprächsthemen gibt es ausreichend, erklärt Chinaexperte Moritz Rudolf im DW-Interview.

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Chinas Präsident Xi Jinping in Indien bei Premierminister Narenda Modi (Foto:ap)
Bild: picture-alliance/AP/Press Trust of India

Deutsche Welle: Welche Aspekte werden Ihrer Ansicht nach bei dem Besuch im Vordergrund stehen?

Moritz Rudolf: Ich glaube, dass es ein sehr umfassendes Treffen sein wird, bei dem viele Punkte der indisch-chinesischen Beziehungen behandelt werden. Der Schwerpunkt wird aber meiner Einschätzung nach auf der wirtschaftlichen Kooperation liegen.

Um welche wirtschaftlichen Fragen wird es konkret gehen?

Ich erwarte, dass es sehr wahrscheinlich Vertrags-Abschlüsse in zweistelliger Milliardenhöhe geben wird. Sehr interessant sind geplante Investitionen chinesischer Unternehmen in die Modernisierung des veralteten indischen Bahnsystems. Vor allem in diesem Bereich ist es denkbar, dass es eine Übereinkunft geben wird.

Passagiere auf einer indischen Eisenbahn (Foto:REUTERS)
Wird China Indiens marodes Bahnsystem modernisieren?Bild: Reuters

Indien hat ein enormes Handelsdefizit von rund 40 Milliarden US-Dollar mit China. Wird auch das ihrer Ansicht nach eine Rolle spielen?

Die indische Seite beklagt ja, dass indische Firmen wegen zu hoher Zölle nicht in der Lage sind, ihre Produkte in China zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten. Zum Beispiel im IT-Sektor, im Pharmaziebereich oder bei Landwirtschaftsprodukten. Ich kann mir gut vorstellen, dass es hier auf chinesischer Seite eine Kompromissbereitschaft gibt. Angesprochen wird dieses Thema sicherlich.

China und Indien streiten seit Jahrzehnten über den Verlauf der gemeinsamen Grenze. Halten Sie es für möglich, dass es beim Grenzstreit einen Durchbruch geben wird?

Ein Durchbruch ist eigentlich nicht zu erwarten. Die chinesische Seite hat ganz klar zu verstehen gegeben, dass die Lösung des Grenzkonflikts die Aufgabe der nächsten Generation ist. Und mit einer Kehrtwende des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping rechne ich eigentlich nicht. Ich gehe aber davon aus, dass der Konflikt angesprochen wird, und dass man sich vielleicht auch auf neue vertrauensbildende Maßnahmen einigen wird.

Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?

Es wäre zum Beispiel denkbar, dass bei Fahnenappellen jeweils die chinesische und die indische Seite anwesend ist. So würde man sich persönlich kennenlernen. Das wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung. Und es könnte dazu führen, dass man die andere Seite nicht mehr so dämonisiert.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Neu-Delhi (Foto:REUTERS)
Gibt es bald gemeinsame Fahnenappelle?Bild: Reuters/A. Masood

China versucht zurzeit seinen Einfluss in der Region auszuweiten, beispielsweise durch den Aufbau einer neuen Seidenstraße. Wie wird das auf der indischen Seite wahrgenommen?

Das ist aus indischer Sicht natürlich auch eine Bedrohung. Interessant ist, dass Modi in den letzten Monaten viele Reisen in Nachbarregionen unternommen hat, um dort neue Verträge abzuschließen, und so dem Einfluss Chinas etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig gibt es eine Annäherung zwischen Indien und den USA, bei der es um eine größere Kooperation im Indischen Ozean geht. Und die großen chinesischen Investitionen in Pakistan werden natürlich als problematisch angesehen. Das ist die negative Seite.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine positive Seite. Denn Indien kann auch von der Seidenstraßeninitiative profitieren. Ich kann mir vorstellen, dass es einen Paukenschlag geben wird, und das Seidenstraßenprojekt an die derzeitigen indischen Infrastrukturprojekte angebunden wird. Es ist auch im Interesse Indiens, dass es mehr Investitionen in die indische Infrastruktur gibt. Die chinesische Seite hat große Überkapazitäten im Stahlbereich, während Indien eine große Nachfrage nach Stahl hat. In diesem konkreten Fall könnte man sehr gut miteinander kooperieren. Außerdem ist China mittlerweile der größte Handelspartner Indiens und ist der größte Investor in der Region.

Sie haben die Annäherung Indiens an die USA angesprochen. Aus chinesischer Sicht ist diese Annäherung gegen China gerichtet. Ist diese Wahrnehmung richtig?

Wenn man die Frage so stellt, dann könnte man auch sagen, dass sich die chinesischen Investitionen in Pakistan gegen Indien richten. Das heißt, ich glaube, dass es der indischen Seite vor allem darum geht, unabhängig zu bleiben. Ich glaube, dass Indien gegenüber den USA und China eine Art Schaukelpolitik betreibt, um den eigenen Interessen gerecht zu werden.

Das Interview führte Philipp Bilsky.

Moritz Rudolf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mercator Institut für Chinastudien (MERICS). Er arbeitet im Forschungsprogramm „Chinesische Außenpolitik und Außenwirtschaft“.