Ruhe in Frieden - Bestattungskultur in Deutschland
Die deutsche Gesellschaft wandelt sich - und mit ihr auch die Bestattungskultur. Tod, Trauer, Traditionen: vom Friedhofszwang bis zum Leichenschmaus.
Das Leben is endlich
Im Jahr 2021 starben in Deutschland laut Statista 1.023.723 Menschen, im Vergleich zu 985.572 im Jahr zuvor. Es gibt etwa 32 Millionen Gräber auf circa 32.000 Friedhöfen. Doch die Bestattungskultur hat sich hierzulande stark verändert: Die "Gottesäcker" werden zunehmend eingeebnet und erinnern - mit weiten Rasenflächen zwischen immer weniger Erdgräbern - häufig an Parks.
Innehalten
Auf dem größten Parkfriedhof der Welt, dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, gibt es einen Rückzugsort für Trauernde, öffentlich zugänglich: die "Trauerhaltestelle". Hier können Trauernde mit bunter Kreide an die Wände der großen, offenen Halle schreiben, was sie bewegt.
Trend zur Feuerbestattung
Bundesweit geht der Trend immer mehr zur Feuerbestattung und Beisetzung im viel kleineren, günstigeren Urnengrab. Urnenwände, Rasengräber: Die Laufzeit ist oft kürzer, der Pflegeaufwand gering. Bei Bestattungen unter Bäumen im "Friedwald" oder bei anonymer Bestattung fällt er sogar ganz weg. Bei der Feuerbestattung muss zusätzlich zur Urne ein spezieller Feuersarg gekauft werden.
Das passende Gefäß
Die Asche eines Verstorbenen wird in eine Kapsel gefüllt, die dann - oft aus dekorativen Gründen - in eine Schmuckurne aus Metall, Holz, Keramik, Granulat oder einem biologisch abbaubaren Material hineingesetzt wird. Als erstes Bundesland hat Bremen den Friedhofszwang inzwischen abgeschafft: Seit 2015 darf dort die Asche von Verstorbenen auch auf privaten Grundstücken verteilt werden.
Zurück zu den Wurzeln
Eine Alternative zum Urnengrab ist die Baumbestattung auf dem Friedhof oder in einem Bestattungswald, der ausdrücklich als Friedhofsgelände deklariert ist. Die Bestattung erfolgt - in etwa achtzig Zentimetern Tiefe - im Wurzelbereich der Bäume. Es gibt keine Kerzen, Blumen oder Fotos - denn individuelle Pflege ist nicht erwünscht. Diese Art der Bestattung gibt es in Deutschland seit 2001.
Aufbahrung
Die Aufbahrung Verstorbener im offenen Sarg - im amerikanischen Sprachgebrauch "public viewing" genannt - ist in Deutschland weniger gang und gäbe als in anderen Ländern. Auch von einem Thanatopraktiker vorgenommene Einbalsamierungen sind hierzulande zwar möglich, aber kaum üblich.
"Do-It-Yourself"-Sarg
Wie man sich bettet, so ruht man: Ein Sarg kostet ab 1.000 Euro aufwärts. Mit vier Quadratmetern Holz, Zeit und Geschick kann man für wenige hundert Euro seine letzte Ruhestätte auch selbst bauen. Entsprechende Workshops werden immer wieder angeboten (Bild, Kursleitung in einem Berliner Hospiz). Oft nutzen Hobby-Handwerker den Sarg zunächst als Regal - weit mehr als eine interessante Erfahrung.
Begräbnis- und Trauerkultur im Museum
Wie haben sich die Menschen früher mit Tod und Sterben auseinandergesetzt? Mit dem Thema Bestattung, Friedhof, Trauer und Gedenken beschäftigt sich das "Museum für Sepulkralkultur" in Kassel. Einzigartig in Deutschland, widmet sich das Museum seit 1992 dem "Tod in allen seinen Facetten". Im Hof steht eine Prunkleichenwagenkutsche von 1880 neben einem Leichenwagen von 1978.
Löten und Gestalten
Seit 2005 hat die Bestatterbranche im fränkischen Münnerstadt ihr eigenes Bundesausbildungszentrum. Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft gibt es in Deutschland erst seit 2003. In Münnerstadt wird während der dreijährigen Ausbildungszeit der Umgang mit Verstorbenen und dem Tod geübt. Sogar aus China und Russland kommen Bestatter zu internationalen Seminaren in das deutsche Zentrum.
Solides Handwerk
In Münnerstadt befindet sich auch Deutschlands erster Übungsfriedhof, angelegt 1994 vom Bayerischen Bestatterverband. Hier üben angehende Bestatter, wie man fachgerecht Gräber aushebt und Urnen herablässt. Für Bestattungsfachkräfte ist der Tod ständiger Begleiter. Laut Verband verlangt der Beruf "ein hohes Maß an Verantwortung für Menschen - Verstorbene und Hinterbliebene".
Kondolenz und Todesanzeigen
Bestatter decken sich gern mit passenden Sondermarken der Deutschen Post für Trauerkarten und Danksagungen ein. In Todesanzeigen in der Zeitung - manchmal sehr persönlich und kreativ, oft mit Foto - oder per persönlicher Karte werden Zeit und Datum der Beisetzung oder Trauerfeier bekannt gegeben. Außerdem, ob Blumen oder ein Kranz erwünscht sind oder lieber eine gemeinnützige Spende.
Der Leichenschmaus
Nach einer Beerdigung oder Trauerfeier gehen Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen, meist auf persönliche Einladung der Hinterbliebenen, zum Traueressen - dem sogenannten Leichenschmaus - in ein Restaurant oder Café. Traditionell gibt es Kaffee, Tee, eine Tasse Suppe, Schnittchen und Streuselkuchen.