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Politik

EU prangert Desinformation aus Russland an

14. Juni 2019

Lügen, Verschwörung und hasserfüllte #Hashtags: Bei der Europawahl kam alles zum Einsatz. Die Quelle? Oftmals Russland, glaubt die EU-Kommission. Doch die Spuren deuten nicht nur Richtung Kreml. Bernd Riegert, Brüssel.

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Twitter Tweets
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warnecke

Was Behörden, Parteien und Aktivisten schon bei nationalen Wahlen in den USA, Brasilien oder Deutschland beobachtet haben, hat sich auch bei der Wahl zum Europäischen Parlament Ende Mai fortgesetzt. Extreme Gruppen, Parteien und Meinungsmacher haben versucht, mit falschen Informationen über die Social Media-Kanäle, Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen - oft mit Unterstützung aus Russland. Zu diesem Schluss kommt ein erster vorläufiger Untersuchungsbericht zu "Desinformations-Kampagnen", den die EU-Kommission drei Wochen nach der Europawahl vorgelegt hat.

Russischer Einfluss

"Die Zahl der Kampagnen, die auf russische Quellen zurückgeführt werden können, hat sich verdoppelt im Vergleich zum letzten Jahr", sagte der für Internet-Sicherheit zuständige EU-Kommissar Julian King. Die EU geht von 1000 Fällen von Desinformation mit der Beteiligung russischer Quellen allein seit Januar aus. "Dabei geht es nicht um den 'Big Bang', also große Hacker-Attacken, sondern eher um für die Zielgruppe maßgeschneiderte kleinere Kampagnen", sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourová in Brüssel. In Polen etwa habe die russische Webseite Sputnik Berichte verbreitet, Polen gehe es in der EU wirtschaftlich schlechter als zu kommunistischen Zeiten. Außerdem wurde behauptet, der französische Präsident Emmanuel Macron wolle EU-Staaten aus der Union hinauswerfen, heißt es im Bericht der EU-Kommission. "Die EU beobachtet allerdings nur, dass es Kampagnen sind, die dem Kreml inhaltlich nahe stehen. Wir sind kein Geheimdienst und haben keine direkten Erkenntnisse", sagte EU-Kommissar King. Ob es eine direkte Verbindung zum russischen Staat gibt, konnte der EU-Kommissar weder dementieren noch bestätigen. "Das mag sie frustrieren, aber wir sind sehr vorsichtig, solche Schlüsse zu ziehen."

Brüssel PK Julian King Online-Verhaltenskodex
Julian King: Kein großer Hacker-Angriff zur EuropawahlBild: picture-alliance/dpa/F. Seco

Verschleierte Werbung

Auffällig sei auch die hohe Zahl von Webseiten und Social Media- Konten, die gegen Migranten und den Islam Stimmung machten, heißt es im Untersuchungsbericht zur Europawahl. In Spanien wurde zum Beispiel ein gut organisiertes Netzwerk von gefälschten Twitter-Konten aufgedeckt, die automatisiert negative Hashtags zum Islam unterstützten. Das ganze sei im Umfeld der rechtspopulistischen Partei Vox passiert, sagte EU-Kommissar Julian King. In Deutschland sei die Wahlwerbung der rechtspopulistischen AfD vor der Europawahl in den sozialen Medien oft nicht als solche zu erkennen, moniert die EU-Kommission. Das deutsche Fernsehen (ARD) hatte bereits vor den Wahlen berichtet, dass automatische Bots tausendfach AfD-Werbung an Nutzer verschicken, ohne sie zu kennzeichnen.

Symbolbild Fake News
Bild: imago/Christian Ohde

Konzerne regulieren?

Die großen Internetkonzerne Facebook, Google und Twitter hätten versucht, sich an den freiwillig vereinbarten "Kodex für die praktische Arbeit" zu halten. Das sei aber nicht immer gelungen, kritisierte EU-Kommissarin Vera Jourová. "Millionen von falschen, computergenerierten Benutzerkonten, sogenannte Bots, wurden geschlossen. Aber es muss noch mehr getan werden, um falsche Nachrichten (fake news) zu finden." Facebook hatte ein eigenes Lagezentrum eingerichtet, um die irreführenden Kampagnen zu finden. Rund 500 Facebook-Seiten würden in diese Kategorie fallen, heißt es von der Aktivisten-Plattform Avaaz, die vor der Wahl eigene Untersuchungen durchführte.

Belgien EU-Kommission Protest gegen Facebook
Avaaz-Aktivisten: Protest gegen Datenmissbrauch durch Facebook in Brüssel 2018Bild: AVAAZ/AP/O. Matthys

Die EU-Kommission bemängelt, dass die Social Media-Konzerne ihre eigenen Daten über Bots und Fake-Accounts bislang in Europa nicht veröffentlichten. Viele Experten und Forscher hätten bemängelt, dass gerade Facebook sich sehr zugeknöpft verhalte. Ende des Jahres wollen die EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission entscheiden, ob die freiwilligen Vereinbarungen mit den Internet- und Kommunikationsplattformen ausreichen oder ob eine gesetzliche Regelung nötig ist.

Lügen ist nicht strafbar

"Die Macher der Desinformationskampagnen wechseln dauernd ihre Taktik, wir müssen das auch tun", mahnte EU-Kommissar Julian King. Die ständige Wachsamkeit und der dauernde Kampf gegen 'Fake News' seien die neue Normalität und keine Ausnahme mehr, so der britische Kommissar. Die stetige Radikalisierung der Debatten und die Verbreitung von Zwietracht und Missgunst müssten aufgedeckt werden. Es gehe nicht darum, die Meinungsfreiheit im Internet zu beschneiden, meinte die EU-Justizkommissarin Jourová. Man könne nur aufklären. Strafrechtlich relevant sind nur Inhalte, die Hass-Reden, Terrorismus, sexuelle Gewalt, Kinderpornografie propagieren. "Lügen an sich ist nicht illegal", so Vera Jourová.

Die EU-Kommission veröffentlicht jeden Monat auf ihrer Internetseite einen frei zugänglichen Bericht über aufgedeckte Desinformationskampagnen.

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