Russische LGBT-Aktivistin ermordet
23. Juli 2019"Sie dachte oft nicht an sich, sondern an die anderen", erzählt Maxim Olenitschew mit gedämpfter Stimme. Er kannte Jelena Grigorjewa gut. Beide waren in der russischen LGBT-Gruppe "Wychod” (auf deutsch: "Der Ausgang") in Sankt Petersburg aktiv. Der Tod seiner Mitstreiterin hat Olenitschew und viele Menschen in der schwul-lesbischen Community erschüttert. Und nicht nur sie.
Die 40-jährige Jelena Grigorjewa wurde am Abend des 21. Juli mit mehreren Messerstichen ermordet. Sie wurde einige hundert Meter von ihrem Haus in Sankt Petersburg entfernt in einem Gebüsch tot aufgefunden. Die Polizei nahm Ermittlungen auf. Noch gibt es keine Verdächtigen. Bekannte aus Grigorjewas Umfeld gaben allerdings an, dass Grigorjewa zuvor Morddrohungen bekommen haben soll.
Massive Drohungen
"Diese Morddrohungen waren sowohl mit ihrer Tätigkeit als LGBT-Aktivistin verbunden als auch mit ihrer Kritik an der russischen Innen- und Außenpolitik", erzählt Ksenia Michailowa der DW. "Trotzdem konnte ich es nicht glauben, als ich von ihrem Tod hörte,” sagt die junge Anwältin, die die ermordete Aktivistin nach eigenen Worten verteidigte, etwa wenn sie wegen "Störung öffentlichen Friedens" vor Gericht stand, weil sie LGBT-Demonstrationen organisiert hatte. Michailowa wirft der Polizei vor, die Morddrohungen gegen ihre Mandantin nicht ernst genommen zu haben: "Ich mache mir jetzt Gedanken, wie man diesen Mord hätte verhindern können. Vielleicht wenn es einen rechtlichen Mechanismus in unserem Staat gäbe, der die Polizei zwingen würde, solche Morddrohungen mit aller Ernsthaftigkeit zu verfolgen." Eine solchen Mechanismus gebe es aber nicht.
Michailowa berichtet von massiven Drohungen und Beleidigungen gegenüber ihrer Mandantin in letzter Zeit. Sie kritisiert, dass die Polizei jedes Mal untätig geblieben sei, obwohl mehrere Personen mit ihren Taten im Netz geprahlt und Jelena Grigorjewa gedroht hätten. Die Anwältin schließt aber auch Personen "aus nationalistischen Kreisen” als potentielle Attentäter ebenso wenig aus wie einen persönlichen Konflikt als Hintergrund für die Tat. Doch die Verunsicherung sei gerade in der schwul-lesbischen Community nun groß.
"Wir lassen uns nicht einschüchtern"
Michailowa erzählt auch von einem homophoben Internet-Projekt Namens "Pila”, dessen Ziel die Vernichtung von Homosexuellen sei: "Die Autoren dieser Seite veröffentlichen Informationen darüber, dass sie Morde an LGBT-Akivisten oder ganzen Organisationen planen. Sie veröffentlichen sogar Listen von Personen, die sie vernichten wollen. Unter diesen Personen war auch Jelena Grigorjewa.”
Auch Grigorjewas Kollege Maxim Olenitschew kennt die Seite, will aber den Mut nicht verlieren: "An die Angst haben wir uns gewöhht. Seit 2013 gibt es in Russland ein Gesetz gegen die so genannte Schwulenpropaganda, das vielen LGBT-Leuten das Leben schwer macht. Unser Verein hilft gerade den Opfern von Stigmatisierung und Diskriminierung. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir kämpfen weiter für unser Rechte. Schließlich leben wir in einem europäischen Land."