Russland: Die Oligarchen der FinCEN Files
25. September 2020Die geheimen Aktivitäten russischer Oligarchen spielen eine Rolle in den sogenannten Suspicious Activity Reports (SAR). Diese Berichte über verdächtige finanzielle Aktivitäten reichen die Banken verschiedener Länder an US-Behörden ein. Sie waren dem US-amerikanischen Portal BuzzFeed News zugespielt und von einem internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) 16 Monate lang ausgewertet worden. Sie bieten erneut einen Einblick in Verdachtsfälle unter anderem von Geldwäsche. Ein Überblick.
Arkadi Rotenberg, Putins Jugendfreund
Wenn es einen russischen Oligarchen gibt, der die EU-Sanktionen möglicherweise verhöhnen könnte, dann ist es Arkadi Rotenberg. Der 68-jährige Geschäftsmann und enge Freund von Präsident Wladimir Putin gehörte Anfang 2014 zu den ersten einflussreichen Russen, die nach der Krim-Annexion auf Sanktionslisten der EU und der USA gesetzt wurden. Kurze Zeit später bekam Rotenbergs Baufirma einen milliardenschweren Staatsauftrag: Eine Brücke vom russischen Festland auf die annektierte Halbinsel Krim zu bauen. Das Projekt setzte er zwischen 2016 und 2018 um.
Ausgerechnet in dieser Zeit soll Rotenberg Kunstobjekte mit Hilfe der britischen Bank Barclays erworben haben - trotz Sanktionen. Das legen die FinCEN-Files nahe. Es handelt sich laut BBC um Millionen britische Pfund, etwa für ein Bild des belgischen Malers René Magritte. Diesen Vorwurf ließ der Geschäftsmann von einem Sprecher gegenüber dem russischen Medium RBC als "Schwachsinn" dementieren.
Auch bei der Deutschen Bank war Arkadi Rotenberg Kunde. Seine Geschäfte wurden 2015 Gegenstand interner Untersuchungen, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Beweise für Geldwäsche fand die Bank nicht. Die FinCEN-Files sollen jedoch zeigen, dass es eine indirekte Verbindung zwischen Arkadi Rotenberg, seinem Bruder Boris (63) und den umstrittenen sogenannten Spiegelgeschäften gegeben hat, bei denen Aktien an verschiedenen Orten gleichzeitig gekauft und verkauft wurden. Arkadi bestritt gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", an solchen Deals beteiligte Firmen besessen oder Geld aus Russland herausgeschleust zu haben.
Rotenberg hat eine besondere Stellung unter Russlands sogenannten Oligarchen, reichen Geschäftsleuten mit Verbindungen zum Kreml. Arkadi und sein Bruder Boris kennen Putin seit Jugendtagen in Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg. Sie waren im gleichen Judo-Sportverein. Arkadi arbeitete lange als Sporttrainer, bevor er nach dem Zerfall der UdSSR in die Wirtschaft wechselte und Unternehmer wurde. Seine Interessen sind weit gestreut: von Baufirmen über Banken bis zu Düngerherstellern.
Die russische Ausgabe des Wirtschaftsmagazins "Forbes" erklärte die Rotenbergs im August 2020 zur reichsten Familie Russlands mit einem geschätzten Gesamtvermögen von rund 5,5 Milliarden US-Dollar. Bewertet wurde dabei die Kapitallage der beiden Brüder sowie der zwei Kinder von Arkadi, Igor und Lilia.
Alexej Mordaschow, der TUI-Investor
Seit den Enthüllungen der Panama-Papers im Jahr 2016 ist bekannt, dass der bis dahin unscheinbare Cellist und Dirigent Sergej Roldugin, auch er ein Freund des Präsidenten aus Sankt Petersburg, über Offshore-Firmen Millionenbeträge bewegt. Die neuesten Enthüllungen belegen, dass im Oktober 2010 eine mit ihm verbundene Firma rund 830.000 US-Dollar von einem zypriotischen Unternehmen erhalten hat, das seinerseits Verbindungen zum Geschäftsmann Alexej Mordaschow haben soll.
Mit seinen Stahl- und Maschinenbauunternehmen zählt der 54-jährige Mordaschow zu den reichsten Oligarchen und wird von "Forbes" im oberen Bereich der Liste der zehn wohlhabendsten Russen geführt. Das Herzstück seines Wirtschaftsimperiums ist Severstal, einer der größten Stahlproduzenten im Land. Er war dort Wirtschaftsdirektor und kaufte den staatlichen Betrieb während der großen Privatisierungswelle in den 1990er-Jahren. Auch in Deutschland ist Mordaschow, der fließend Deutsch spricht, aktiv. Der Milliardär besitzt 25 Prozent des Touristik-Konzerns TUI und hat dort einen Posten im Aufsichtsrat.
Alischer Usmanow, Metall und Medien
Auch der 67-jährige Alischer Usmanow zählt laut "Forbes" zu den zehn reichsten Russen. Der ursprünglich aus Usbekistan stammende Geschäftsmann ist in fast allen lukrativen Branchen der russischen Wirtschaft vertreten, ob Metallindustrie, Banken oder Medien. In den vergangenen Jahren baute er seinen Einfluss auf soziale Medien aus und kaufte die größten Netzwerke auf, darunter VKontakte, das russische Pendant zu Facebook.
Usmanows Name taucht in den FinCEN-Files in Zusammenhang mit Putins Berater Valentin Jumaschew auf. Der einst mächtige ehemalige Chef des Präsidialamtes unter Russlands erstem Präsidenten Boris Jelzin gilt als jemand, der Putin den Weg in den Kreml geebnet hat. Er habe Putin, den damaligen Chef des Geheimdienstes FSB, als eine "sehr starke Figur" im Vergleich zu anderen denkbaren Kandidaten für Jelzins Erbe wahrgenommen, so Jumaschew in einem DW-Interview.
Seit Putins Wahl zum Präsidenten in Jahr 2000 agiert er im Hintergrund als Lobbyist und Unternehmer, darunter im Immobiliengeschäft. Jumaschew ist mit Jelzins Tochter Tatiana verheiratet. Laut FinCEN-Files bekam Jumaschew zwischen 2006 und 2008 sechs Millionen US-Dollar von Alischer Usmanow für gewisse "Dienste", die nicht genannt werden.
Oleg Deripaska, der Aluminiumkönig
Einer der bekanntesten und bisher am härtesten von Sanktionen getroffenen russischen Oligarchen ist Oleg Deripaska, 52 Jahre alt. Er galt einst als der reichste Russe, verlor jedoch seine Spitzenstellung unter anderem wegen der im April 2018 eingeführten US-Sanktionen gegen sein Firmenimperium und besonders gegen seine Aluminiumwerke. Er baute sein Vermögen in den 1990er-Jahren mit Metallhandel auf, investierte in die Aluminiumindustrie in Sibirien und hat den Ruf, über gute Verbindungen in den Kreml zu verfügen.
In den FinCEN-Files wird er an zwei Stellen erwähnt. Zum einen hat die Deutsche Bank zwischen 2003 und 2017 Transaktionen in Höhe von elf Milliarden US-Dollar für Firmen aus seinem Netzwerk abgewickelt. In einem SAR weist die Deutschen Bank auf eine Untersuchung gegen Deripaska in den USA hin, und zwar im Zusammenhang mit einer Überweisung im Jahr 2007 in Höhe von 57,5 Millionen US-Dollar. Die Bank erwähnt Anschuldigungen der US-Behörden wegen möglicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Deripaska bestreitet, Gelder gewaschen oder andere Finanzdelikte begangen zu haben.
In einer weiteren Episode wurde enthüllt, dass zwischen 2002 und 2016 mindestens drei Milliarden US-Dollar im Zusammenhang mit Deripaskas Geschäften über eine kleine lettische Bank transferiert wurden. Das Geld soll unter anderem für Lobbyisten in den USA, Privatjets und Immobiliengeschäfte bestimmt gewesen sein.