Russland und China führen im Rennen um Boliviens Lithium
28. Dezember 2023Der größte Gegner von Boliviens Präsident Luis Arce kommt derzeit aus dem eigenen politischen Lager. Ex-Präsident Evo Morales, von 2006 bis 2019 im Amt, macht der sozialistischen Regierung das Leben schwer und stellt seinen ehemaligen Wirtschaftsminister immer wieder öffentlich in Frage.
Da kommt eine Vertragsunterzeichnung zu dem Rohstoff, der mittelfristig Boliviens aktuelle Wirtschaftskrise lösen soll, gerade recht. Der Kontrakt kann sich sehen lassen. Nach offiziellen Angaben steckt die russische Uranium One Group rund 450 Millionen US-Dollar (ca. 410 Millionen Euro) in ein Pilotprojekt für die Lithium-Förderung in Bolivien.
Lithium-Pilotprojekt in Boliviens Hochland
Das Abkommen hat Strahlkraft: Bolivien kann nach jahrelangen politischen Streitereien, an denen auch Morales und Arce ihren Anteil haben, nun endlich internationale Partner präsentieren. Karla Calderón, Präsidentin des staatlichen bolivianischen Lithium-Unternehmens Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB), umriss das Projekt, das in der Ortschaft Colcha "K" im Departement Potosi im Hochland Boliviens in drei Phasen durchgeführt werden soll: In der ersten Phase ist das Ziel eine Förderung von 1000 Tonnen pro Jahr, in Phase zwei sollen bis zu 8000 Tonnen und in Phase drei weitere 5000 Tonnen Lithiumcarbonat produziert werden.
Der Fokus liegt dabei auf einer möglichst umweltschonenden Produktion, deshalb werde dieses Projekt zur Durchführung von Studien genutzt, um die technische Nachhaltigkeit dieser künftigen Anlage nachzuweisen, sagte Calderon. Der Vertrag ist bereits die zweite Vereinbarung, die mit der Tochtergesellschaft des staatlichen russischen Unternehmens Rosatom unterzeichnet wurde. Im Juni einigten sich die Vertragspartner auf die Errichtung eines Lithiumkarbonat-Industriekomplexes in Pastos Grandes.
Boliviens Präferenz für China und Russland
"Der Wettbewerb um Lithium ist hart", sagt der Experte für lateinamerikanisch-russische Beziehungen, Vladimir Rouvinski von der Universität Icesi (Kolumbien), im Gespräch mit der DW. "Es scheint, dass strategische Allianzen geschmiedet werden, die den Neigungen der aktuellen Regierungen entgegenkommen, wie im aktuellen Fall der bolivianischen Regierung, die eine Präferenz für chinesische und russische Unternehmen zeigt. Letztlich sind diese Allianzen jedoch nur von kurzer Dauer, da die Logik der Wirtschaft darin besteht, dass wirtschaftliche Interessen Vorrang vor vorübergehenden Affinitäten haben."
Auch Peking hat Interesse an Boliviens Lithium
Neben Russland konnte auch China im Land mit den weltweit größten Lithium-Vorkommen bereits einen Fuß in die Tür bekommen. Unter der Führung des chinesischen Konzerns Contemporary Amperex Technology wollen chinesische Partner insgesamt 1,4 Milliarden US Dollar (1,3 Milliarden Euro) in den Bau von Anlagen zur Lithium-Gewinnung investieren.
Präsident Arce macht Hoffnung auf weitere Kooperationen
Dass Bolivien bei der Gewinnung der Lithium-Vorkommen durchaus schneller vorankommen könnte, weiß auch Präsident Luis Arce: "Es gilt die alte Volksweisheit, dass wir langsam gehen, weil wir es eilig haben." Bolivien müsse mit sicheren Schritten vorankomme, da es sich bei einer so zentralen Frage keinen Platz für Fehler erlauben könne. Arce macht aber auch Partnern außerhalb Russlands und Chinas Hoffnung: "Unsere Besuche in der Europäischen Union, in Brasilien und in den BRICS-Ländern haben deutlich gezeigt, dass ein großes Interesse an unserem Lithium besteht."
Lithium Schlüsselrohstoff für E-Autos
Lithiumkarbonat gilt als ein wichtiger Schlüsselrohstoff für die Elektromobilität, da es für den Bau von Akkus von E-Autos benötigt wird. Für die angestrebte Transformation weg von fossilen Brennstoffen für Autos und hin zu elektrischen Antrieben ist Lithium also von strategischer Bedeutung. Geologen gehen davon aus, dass Bolivien über ein Potential von bis zu 23 Millionen Tonnen Lithium verfügt. Es wäre damit das Land mit den weltweit größten Vorkommen.
Rückschlag für Deutschland
Vor gut fünf Jahren galt Deutschland noch als die Nation, die in Bolivien die beste Ausgangslange hatte. Ein Joint-Venture zwischen Berlin und La Paz sollte den Startschuss für die Lithium-Förderung geben; die Hoffnungen im Autoland Deutschland waren groß. Doch dann folgten innenpolitische Turbulenzen in Bolivien, das Projekt wurde zum polarisierenden Wahlkampfthema und zum Instrument eines innenpolitischen Machtkampfs. Auch auf deutscher Seite wurden Fehler gemacht.
Inzwischen ist das Projekt gestorben, Deutschland schaut derzeit eher nach Argentinien und Chile, die ebenfalls über große Lithium-Vorkommen verfügen. Zumindest mit Chile gelang zuletzt das Aufstocken eines Abkommens zu einem Freihandelsvertrag, der auch gemeinsame Lithium-Projekte erleichtern soll.