Russland will Friedenstruppen vom Balkan definitiv abziehen
14. April 2003Moskau, 14.4.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Michail Chodarjonok, Wladimir Muchin
(...) Hinter dem in den kommenden zwei Monaten bevorstehenden Abzug der russischen Truppen vom Balkan stecken nach Erläuterungen des Generalstabschefs Anatolij Kwaschnin rein wirtschaftliche Überlegungen. Jährlich würden für den Unterhalt der Truppen etwa 25 Millionen Dollar ausgegeben. Die Generalstabsführung wolle die gesparten Mittel "für unsere inneren Bedürfnisse, darunter den Aufbau und die Entwicklung der Streitkräfte, für Kampfausbildung und andere Maßnahmen ausgeben". Das klingt pathetisch, aber was bedeutet solch eine Summe für die russische Armee tatsächlich? Für dieses Geld kann das Verteidigungsministerium lediglich ein Jagdflugzeug erwerben. Es wäre nicht ganz richtig zu behaupten, dass diese Mittel helfen werden, den Unterhalt der russischen Streitkräfte wesentlich zu verbessern. Letztlich wird aller Wahrscheinlichkeit nach weder das Jagdflugzeug erworben werden, noch wird jemand die eingesparten Gelder bei der Armee zu sehen bekommen.
Der Grund ist natürlich nicht der sorgsamen Umgang des Verteidigungsministeriums mit den Haushaltsmitteln. Tatsächlich ist es so, dass die Präsenz der russischen Soldaten angesichts der gegebenen militärischen und politischen Lage auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien jeden Sinn verloren hat. Sie können die dort stattfindenden Prozesse nicht beeinflussen. Mit anderen Worten - der Beschluss des Kreml über die Teilnahme an friedenstiftenden Operationen im ehemaligen Jugoslawien war ein militärischer und politischer Fehler. (...)
Wie die "Nesawissimaja gaseta" aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr, zieht Moskau seine Soldaten von der Balkan-Halbinsel ab, um sich auf die Lösung von Problemen im Irak zu konzentrieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die russischen Militärkontingente aus Kosovo und Bosnien in den Nahen und Mittleren Osten verlegt werden, wo sie unter der Ägide der UNO an internationalen humanitären Operationen teilnehmen werden.
Der Parlamentsvorsitzende von Serbien und Montenegro, Dragoljub Micunovic, kommentierte die Nachricht über den Abzug der russischen Truppen vom Balkan gegenüber der "Nesawissimaja gaseta" wie folgt: "Wir haben die Präsenz der russischen Truppen in Kosovo und Bosnien immer als einen Faktor betrachtet, der ein bestimmtes Kräftegleichgewicht gewährleistet. Da Russland ein uns gegenüber freundlich gesinntes Land ist, haben wir die Präsenz seiner Friedenstruppen auch als psychologischen Schutz für die Serben betrachtet, die sich in keiner beneidenswerten Lage befinden. Es wäre nicht wünschenswert, wenn Russland mit seiner Entscheidung zu verstehen geben möchte, dass es keine Interessen mehr auf dem Balkan hat, dass ihm das Schicksal von Kosovo und Bosnien gleichgültig ist. (...)" (lr)