Russland will Trump
4. November 2016Wladimir Putin hofft auf einen Dialog. Sagt er. Dialog statt Diktat. Der russische Präsident beschwerte sich am 12. Oktober bei einem Wirtschaftsforum in Moskau: "Es ist schwer, mit der bestehenden US-Administration einen Dialog zu führen. Einen Dialog gibt es praktisch nicht. Sie formuliert ihre Forderungen, und besteht darauf, dass sie erfüllt werden. Das ist aber kein Dialog. Das ist ein Diktat." Der Kreml-Chef war sichtlich aufgeregt.
Der "russische Faktor" im US-Wahlkampf
Über die Aufmerksamkeit, die er und seine Politik im US-Wahlkampf bekommen, braucht Putin sich aber nicht zu beschweren. Er kritisiert sogar selbst beide Kandidaten für den überflüssigen negativen "russischen Faktor" und nennt das kurzsichtig. Vor einigen Tagen fragte Putin beim renommierten Gesprächskreis "Waldaj" im südrussischen Sotschi: "Glaubt wirklich jemand im Ernst, dass Russland die Wahl des amerikanischen Volkes beeinflussen kann? Ist Amerika etwa eine Bananenrepublik? Amerika ist eine Großmacht."
Und diese Großmacht ist in Russland mächtig unbeliebt. Bis zu 80 Prozent der Befragten des unabhängigen Lewada-Zetrums sehen die USA "äußerst negativ". Zwar ist der Ton der anti-amerikanischen Propaganda im Fernsehen etwas milder geworden, trotzdem wird die US-Politik insgesamt als bedrohlich dargestellt. Spannend ist, dass die Russen zwar im Staatsgebilde USA einen Feind sehen, nicht aber im einfachen US-Bürger. Ganz besonders beliebt ist in Russland offenbar ein US-Bürger: Donald Trump. Einer Umfrage zufolge finden 38 Prozent der Russen, dass er für Russland der bessere Präsident wäre. Nur 9 Prozent stimmten für Hillary Clinton.
Trump zeigt Moskau zunehmend die kalte Schulter
Dabei zeigt der exzentrische Milliardär aus Texas nach klaren anfänglichen Sympathiebekundungen mittlerweile unklare Gefühlsschwankungen Richtung Moskau. Gefragt bei einem Auftritt im US-Bundesstaat Nevada, warum er "Putin mag", antwortete Trump, dass er Russlands Staatschef weder mag noch hasst. Und fügte rätselhaft hinzu: "Vielleicht werden wir gute Beziehungen haben. Vielleicht werden wir schreckliche Beziehungen haben. Vielleicht aber auch etwas dazwischen."
Und in Washington wird verbal weiter zurückgerudert. Während der Fernsehdebatten der Vize-Kandidaten sprach Trumps Nummer Zwei, Mike Pence, von einem "korrupten System" in Russland. Putin diktiere dem "großartigsten Land auf Erden seine Bedingungen". Damit drehte Pence den Diktat-statt-Dialog-Spieß Putins einfach um. Als Beispiel nannte Pence Russlands Vorgehen in Syrien.
Moskaus wechselnde Hoffnungsträger
Und schließlich nannte Trump selbst Moskaus Militäroperation in Syrien eine Verletzung des Abkommens. Deutliche Worte gegen Putin also. Wenn Putin die nicht höre, würde Russland mal wieder auf eine Harke treten, wie so oft in den Beziehungen zu den USA, meint Journalist Sergej Strokan in der Moskauer Zeitung "Kommersant".
Er erinnert daran, dass man das letzte Mal 2008 beim vorigen US-Wahlkampf Barack Obama einen "Freund Russlands" nannte und gleiche Hoffnungen in den Demokraten setzte. Die Negativ-Rolle spielte damals der Republikaner John McCain, neben dem der Demokrat Obama wie "eine Lichtgestalt im dunklen Königreich Washingtons" erschien.
Vor Obama war es George Bush Junior, der Wladimir Putin nach eigenem Bekunden tief in die Augen schaute und "seine Seele verstand". Eine Männerfreundschaft entstand, die in Putins Besuch auf Bushs privater Ranch in Texas gipfelte und trotzdem den Amerikaner nicht vor dem Einmarsch in den Irak abhielt - gegen den Willen des Russen.
Und jetzt also Trump. In der 600. Folge der Simpsons geht die Hauptfigur Homer Simpson den US-Präsidenten wählen. An der Wahlurne trifft er einen Unbekannten, der wie Russlands Staatschef aussieht - mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd. Der stimmt für den republikanischen Kandidaten. "Putins" Prognose im Zeichentrickfilm - 102 Prozent für Trump. Ob so viel Wohlwollen für den Magnaten aus New York im wirklichen Leben Russland gut tut? Wohl kaum.