Samaras kauft sich Zeit
25. Juni 2013In der Dreier-Koalition war die sozialistische PASOK-Partei lediglich mit Staatssekretären vertreten. Nun setzt Evangelos Venizelos (im Artikelbild rechts), der selbst Vize-Regierungschef und Außenminister wird, erstmals auf politische Schwergewichte: Michalis Chryssochoidis, der einst die Terrororganisation "17. November" zerschlagen konnte, übernimmt das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur. Parteisprecherin Fofi Gennimata wird stellvertretende Verteidigungsministerin und der Journalist Pantelis Kapsis, dem der Ruf eines harten Sanierers vorauseilt, kümmert sich um die Umstrukturierung des Staatssenders ERT - als neu ernannter "Staatssekretär für das öffentliche Fernsehen".
Aber auch Konservativen-Chef Antonis Samaras zeigt deutlich Flagge: Seine führenden Leute bleiben im Amt, außerdem übernehmen auch stramm konservative Politiker Regierungsverantwortung. Dazu gehören etwa sein engster Mitarbeiter Dimitris Stamatis, der bislang als graue Eminenz im Hintergrund agierte, oder der neue Gesundheitsminister Adonis Georgiadis, der aus dem rechtspopulistischen Milieu stammt.
Wegen des Streits um den geschlossenen Staatssender ERT war die Dreier-Koalition in der vergangenen Woche nach nur einem Jahr im Amt gescheitert. Die neue Regierung sei eine Notlösung für Premier Samaras, meint der Athener Politikwissenschaftler Levteris Kousoulis. Wunder könne sie mit Sicherheit nicht vollbringen, aber sie sei durchaus in der Lage, die Probleme anzupacken und Griechenland ein gutes Stück voranzubringen. Vor allem gehe es nun darum, sich Zeit zu kaufen, damit die Konjunktur im Land endlich anspringe, erklärt Kousoulis.
Kaum Aufstiegschancen für junge Hoffnungsträger
Weniger zuversichtlich zeigt sich Giorgos Tzogopoulos vom Athener Thinktank ELIAMEP: "Sämtliche Mitglieder dieser Regierung haben schon in der Vergangenheit hohe Posten bekleidet und sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert", gibt der Sozialwissenschaftler zu bedenken. Bedauerlicherweise weigerten sich sowohl die Konservativen als auch die Sozialisten in Griechenland, jungen Leuten eine Chance zu geben, klagt Tzogopoulos. Auch die griechischen Medien kritisieren die Burgmentalität der Parteiakteure. Kommentatoren weisen darauf hin, dass ausgerechnet die Politiker, die Griechenland in den wirtschaftlichen Ruin getrieben hätten, nun mit der Rettung des Landes beauftragt würden.
Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen: Das "Recycling" von Personen signalisiere nur den Anfang vom Ende dieser Regierung, klagt das "Bündnis der Radikalen Linken" (SYRIZA), derzeit stärkste Oppositionspartei im griechischen Parlament. Die rechtsextremistische Partei "Goldene Morgenröte", die laut Umfragen zur drittstärksten politischen Kraft in Griechenland aufgestiegen ist, reagiert sarkastisch: Die Regierung würde unter dem Gewicht von Venizelos zusammenbrechen, erklärte ein Parteisprecher in Anspielung auf die massige Figur des neuen Außenministers.
Doch damit sei nicht zu spaßen, warnt Giorgos Tzogopoulos. Wahltaktisch betrachtet, entspreche die neue Regierung genau den Wunschvorstellungen von Oppositionskräften wie der Radikalen Linken oder auch den Rechtsextremen. Denn sie biete diesen Kräften die Angriffsfläche, die sie benötigten, um die etablierten Parteien stärker zu kritisieren und sich selbst als anti-systemische Alternative in Szene zu setzen, befürchtet Tzogopoulos.
Die 180-Grad-Wende von Venizelos
Noch vor einem Jahr hatte es Sozialistenchef Venizelos vehement abgelehnt, die Rolle des führenden Regierungspartners zu übernehmen und ließ Konservativen-Chef Antonis Samaras die damals neu entstandene Dreier-Koalition klar dominieren. Dahinter vermuteten griechische Medien eine gewiefte Taktik: Dem Premier wollte Venizelos offenbar die Hauptverantwortung für die unerbittliche Sparpolitik der Koalitionsregierung aufbürden. Doch die Rechnung ging nicht auf: Während die konservative Partei von Antonis Samaras sich in Umfragen nach wie vor ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Links-Opposition liefert, schrumpfte die einst allmächtige PASOK auf weniger als zehn Prozent.
Infolgedessen musste Venizelos seine Taktik umgehend ändern, vermutet Levteris Koussoulis. Falls sich nämlich die Sozialisten geweigert hätten, sich stärker in der Regierung zu engagieren, dann hätten Neuwahlen stattfinden müssen. Doch nun seien Neuwahlen vorerst kein Thema, die Sozialisten stünden in der Verantwortung und somit auch stärker als bisher im Rampenlicht. "Sie könnten die Gunst der Wähler wieder gewinnen, wenn sich die Dinge gut entwickeln", erläutert der Athener Politanalyst.
Immerhin ein wichtiges Zeichen der Kontinuität: Finanzminister Jannis Stournaras bleibt im Amt, genauso wie seine beiden Stellvertreter, die sich derzeit um die Steuerreform unter Aufsicht der internationalen Geldgeber Griechenlands kümmern.