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VW-Anlegerprozess beginnt vor großer Kulisse

Brigitte Scholtes
10. September 2018

Schadenersatz wegen Dieselgate? Darauf hoffen zahlreiche Anleger, die mit ihrem Investment in VW-Aktien wegen des Abgasbetrugs kräftige Kursverluste erlitten haben. An diesem Montag begann ein Musterprozess.

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Symbolbild Monitor mit Börsenkurs-Verlusten VW
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Warum gibt es ein Musterverfahren?

Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig soll schneller und flexibler abgewickelt werden können, wenn die grundsätzlichen Fragen gebündelt werden. Auch die Kläger müssen ihre Unterlagen miteinander abgleichen, wodurch ihre Erfolgschancen steigen. Musterklägerin in dieser Sammelklage, dem "Kapitalanleger-Musterverfahren", ist die Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassengruppe. Doch dahinter stehen mehr als 1000 andere Kläger, institutionelle wie private, die ebenfalls ihre Forderungen durchsetzen wollen. Parallel läuft auch ein Verfahren in Stuttgart gegen Volkswagen und Porsche. Das Verfahren in Braunschweig ist jedoch das größere mit Klageforderungen vor allem gegen VW im Volumen von mehr als neun Milliarden Euro. 

Worum geht es?

Es geht vor allem darum, wer bei VW wann was von der Abgasmanipulation wusste. Danach richtet sich der Zeitpunkt, zu dem der Konzern die Anleger hätte informieren müssen. 

Mehr dazu: Aufpasser sieht Transparenz-Defizite bei VW

Wie hoch sind die Verluste der Kläger?

Das kommt auf den Zeitpunkt des Aktienkaufs an. Die Rechtsanwälte unter Führung von Andreas Tilp, die die Musterklägerin vor dem OLG in Braunschweig vertreten, nehmen als Anhaltspunkt für die Verluste den Schlusskurs der VW-Aktien am 17. September 2015. Am Tag darauf machte die US-Umweltbehörde EPA die Manipulation der Abgaswerte öffentlich. Bis zum 22. September, als VW dann erst die Börse informierte und seine Gewinnziele zurücknahm, sei der Kurs der VW-Stammaktien um 56,20 Euro gefallen, der der Vorzüge sogar um 61,80 Euro. Die Kursverluste zwischen diesen beiden Tagen bei der Porsche-Aktie betrug 21,03 Euro. Klägeranwalt Andreas Tilp möchte aber eher prozentuale Verluste einklagen. Dabei ist es in dem Verfahren egal, ob die Aktionäre tatsächliche Verluste erlitten haben, weil sie ihre Aktien zwischenzeitlich verkauft haben, oder nur "Buchverluste", bei denen sie die Aktien mit einem entsprechend niedrigeren Kurswert immer noch halten. 

Weiteres im Überblick: Das Diesel-Domino

Wie wollen die Anwälte der Kläger vorgehen?

Das Kernproblem sehen die Anwälte nicht erst mit der Bekanntgabe der Manipulation am 18. September 2015, sondern schon im April 2008. Denn da, so meint Tilp, habe VW schon erkannt, dass die Reduzierung der Abgase auf das vorgeschriebene Niveau nicht möglich sei. Spätestens dann hätte man den Kapitalmarkt informieren müssen. VW aber habe mit diesem Wissen sogar noch einen Antrag auf Zertifizierung des ersten Motors mit der Technologie zur Abgasreduzierung gestellt. "Von da an hat VW betrogen", sagt Tilp. Hinzu komme noch Vertuschung, nämlich von dem Zeitpunkt im März 2014 an, als VW erfahren habe, dass eine Studie der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) ergeben habe, dass die Grenzwerte von vielen Autos nicht eingehalten wurden.

Wie sieht VW das?

VW konzentriert sich auf die Phase ab dem 18. September. Denn da habe der Vorstand erst vom Ausmaß des Abgasskandals erfahren. Deshalb gelte die Haftung des Unternehmens nicht für die Kursverluste. Die Entscheidung, die Betrugssoftware einzubauen, hätten Manager unterhalb des Vorstandes getroffen.

Wie sehen das die Kläger?

Ganz anders. Die Anwälte meinen, das Unternehmen müsse auch haften, wenn die Manager unterhalb der Führungsebene Bescheid wussten. Sie seien die "verfassungsmäßig berufenen Vertreter". Es gebe Hinweise, dass dies so gewesen sei. Diese hätten den Vorstand informieren müssen. Deshalb sei das dem Unternehmen zuzurechnen, meint Rechtsanwalt Tilp. Und daraus folge, dass das Unternehmen die Anleger entsprechend früher hätte informieren müssen. Wenn das Gericht VW auferlege, die Unwissenheit der Verantwortlichen nachzuweisen, sei das für die Kläger eine gute Perspektive.

Wie lange dürfte der Prozess dauern?

Er ist zunächst bis zum 10. Dezember angesetzt. Das OLG könnte im kommenden Jahr sein Urteil fällen. Doch das dürfte noch nicht endgültig sein, denn das letzte Wort dürfte erst der Bundesgerichtshof sprechen.

Können Privatanleger auch jetzt noch ihre Schadenersatzansprüche einfordern?

Im laufenden Verfahren geht es nicht mehr. Doch wer noch aktiv werden will, sollte unbedingt vor Jahresende handeln, sonst droht eine Verjährungsfrist.