50 Jahre Summer of Love
27. August 2017Haight Ashbury 2017: Der Stadtteil von San Francisco wirkt fast so, als sei vor 50 Jahren die Zeit stehengeblieben. Überall bunte Hausfassaden und Graffitis, die Love & Peace verkünden. Es gibt Flower-Power-Bars, Second-Hand-Läden und Shops für Hippie-Zubehör: Buddha-Figuren, Wasserpfeifen, Schmuck. Selbst ein Burgerladen hat seine farbenfrohe Fassade mit "Summer of Love"-Schriftzügen versehen. Die Häuser im einstigen Hippie-Viertel sind inzwischen zu teuren Immobilien geworden. Wer hier wohnt, der hat es geschafft. Und muss sich seine Straßen mit Touristenbussen teilen, die alle paar Minuten zu Sightseeingtouren durch Haight Ashbury rumpeln.
Überall gibt's was zu kiffen
Im Jubiläumsjahr 2017 ist es besonders voll hier; seit Monaten strömen junge Menschen nach San Francisco, um hier den 50. Geburtstag des "Summer of Love" zu feiern. Im Golden Gate Park, in den Straßen von Haight Ashbury, in Kneipen und Clubs. Dazu gibt's Haschisch und Marihuana an allen Ecken und in allen Darreichungsformen. In Kalifornien ist Kiffen erlaubt.
Die Leute, die hergekommen sind, haben einen Spitznamen: "Wannabe-Hippies" (Möchtegern-Hippies). Es sind junge Menschen, die ein Gefühl erleben wollen, das sie gar nicht kennen - diesen ganz speziellen "Spirit of the Sixties". Davon können nur die "Althippies" erzählen, die man vereinzelt zwischen den gestylten Blumenkindern findet. Wie war das denn hier - vor 50 Jahren?
Ein freies, einfaches und gutes Leben
Mitte der 1960er ist Haight Ashbury Anziehungspunkt für junge Träumer, Beatniks und Leute, die ein freies und selbstbestimmtes Leben suchen. Hier wohnen die Vordenker und Idole der Beat-Generation: Alan Ginsberg, Jerry Garcia, Timothy Leary, Jimi Hendrix, Janis Joplin. Es scheint hier möglich zu sein, dieses alternative Leben, frei von Konventionen, Konsum und gesellschaftlichen Verpflichtungen. Musik, Drogen und Sex an jeder Ecke, freiwillig und bis zu einem gewissen Grad auch toleriert. Die größten Bands jener Zeit geben "Free Concerts": Jefferson Airplane, The Grateful Dead, The Byrds. Haight Ashbury ist eine Art Wallfahrtsort, der Zigtausende aus den USA, selbst aus Europa nach San Francisco lockt. Hier sieht es tatsächlich so aus, als könne eine andere Welt enstehen - voller Liebe, in Freiheit und Selbstbestimmung.
"Turn on, tune in, drop out"
Der "Summer of Love" beginnt bereits im Januar 1967, als sich etwa 30.000 Menschen im Golden Gate Park von San Franciso versammeln. Die Dichter Allan Ginsberg und Gary Snyder haben das "Human Be-In" initiiert und zu einer gemeinsamen, kollektiven Bewusstseinserweiterung aufgerufen. Der Psychologieprofessor Timothy Leary prägt das Motto dieses Sommers: "Turn on, tune in, drop out!" (Törn dich an, stimm mit ein - und steig aus).
Den Soundtrack liefert Scott McKenzie mit "San Francisco" - mit der berühmten Zeile: "Wenn du nach San Francisco gehst, dann sorge dafür, dass du auch Blumen in deinem Haar trägst." Zigtausende folgen dem Ruf und strömen in die kalifornische Stadt.
Ausverkauf eines Traums
Die Einwohnerzahl von Haight Ashbury steigt rapide an. Wegen der hohen Drogendichte bekommt der Stadtteil den Spitznamen "Hashbury". Die Leute sitzen auf den Straßen, dröhnen sich zu, machen Musik. In den Parks wird getanzt, gefeiert und natürlich "Liebe gemacht". Ein zunächst friedlicher Massenzirkus. Doch im Lauf des Sommers 1967 sind es irgendwann zu viele Menschen. Die friedliche Stimmung kippt: Zu viele Obdachlose, zu viel Dreck und Krankheiten. Die Drogen werden härter.
Vom Sommer der Liebe ist nicht mehr viel zu spüren. Viele der Ur-Hippies treten die Flucht an - ihr Traum ist längst ausgeträumt; Drogen und Kommerz haben die Ursprungsidee zerstört. Im Oktober 1967 tun sich einige Hundert Hippies zusammen und erklären den "Sommer der Liebe" für beendet. In einem symbolischen Trauermarsch tragen sie die Hippiekultur zu Grabe.
Paragrafen statt Love & Peace
Höhepunkt der 50-Jahr-Feiern sollte am 27. August 2017 ein "Free Concert"-Festival im Golden Gate Park sein. Wie schon zum 40. Jubiläum 2007 wollte das "Council of Light", eine Gruppe, die aus der Ursprungsbewegung in den 60ern entstanden ist, ein Festival veranstalten, zu dem neben aktuellen Künstlern auch Bands von damals eingeladen werden sollten. Sogar tibetanische Mönche waren angefragt worden - für das "Gemeinsame Erwachen". Stattdessen gab es ein böses Erwachen: Die Stadt verweigerte den Veranstaltern die Genehmigung. Wegen schwerer Sicherheitsbedenken, wegen der Einstellung von freiwilligen Helfern, wegen einer unzulänglichen Fluchtwegplanung und weil es zu wenig Klos gibt. Der Schriftwechsel zwischen den Veranstaltern und dem zuständigen Amt sowie die folgenden Gerichsverhandlungen lässt so gar keinen "Spirit of the Sixties" aufkommen.
Trotzdem lässt die Stadt San Francisco von ihrer Hippe-Geschichte nicht ab. Zur 50-Jahr-Feier präsentiert sie ihren Besuchern all das, was man sich unter Hippie-Kultur vorstellt, mit sämtlichen Klischees vom Hippie-Bus bis hin zu öffentlichen Marihuana-Verkaufsstellen. Es gibt das ganze Jahr über Veranstaltungen: Konzerte, Happenings und eine gefeierte Ausstellung im de Young Museum, die man laut dem Online-Kulturmagazin "The Bold Italic" bekifft besuchen sollte.