Sarkozy: "Europa hat mich verändert"
16. Dezember 2008Es war keine gewöhnliche Ratspräsidentschaft, nicht nur wegen eines Ratspräsidenten, an dem sich die Geister scheiden, sondern vor allem wegen zweier schwerer Krisen. Der Krieg zwischen Georgien und Russland und die Finanz- und Wirtschaftskrise haben der Präsidentschaft einiges abverlangt.
Emanzipation von den USA
Nicolas Sarkozy lieferte unter anderem eine historische Begründung aus den Balkankriegen der 1990er-Jahre dafür, warum er im Kaukasuskonflikt sofort zu vermitteln versuchte: "Als der Konflikt in Bosnien ausbrach, war das schließlich in Europa - aber Europa war abwesend. Die USA übernahmen die Verantwortung. Meine Präsidentschaft war von der Idee beherrscht, dass Europa die Verantwortung übernimmt."
Das passt ganz zum französischen Selbstverständnis, sich von den USA zu emanzipieren. Das sollte nach Sarkozys Worten auch in einer anderen Weltgegend gelten, wo US-Präsident George W. Bush bisher gescheitert ist. "Wenn Europa nicht seine Rolle bei einer Friedenssuche im Nahen Osten übernimmt, wird uns niemand diese Rolle abnehmen", sagte er.
Lob für schnelles Handeln in der Finanzkrise
Doch der wichtigste Test für die Präsidentschaft war und ist zweifellos die Finanzkrise, die sehr schnell in eine umfassende Wirtschaftskrise mündete. Hier verteilte Sarkozy Lob an alle Beteiligten für ihr gemeinsames Vorgehen.
Alles andere, so Sarkozy, hätte katastrophale Folgen haben können. "Wenn die Staaten Europas, die EU-Kommission und die europäischen Institutionen damals nicht die Verantwortung übernommen hätten, dann hätten wir den Zusammenbruch mehrerer Mitgliedsstaaten und die Zerstörung des europäischen Finanzsystems erlebt."
Sarkozy verteidigte Ergebnisse wie das Klimapaket als Kompromiss, der verschiedene Interessen habe ausgleichen müssen. Mehr sei eben bei einer Union mit 27 Mitgliedsstaaten nicht möglich gewesen. Er beendete seine Rede mit einer persönlichen Note: "Ich habe versucht, Europa zu verändern, aber Europa hat mich verändert."
"Als Pro-Europäer geoutet"
Der verzögerte Applaus danach zeigte offenbar, dass viele Abgeordnete Sarkozy solche fast demütigen Worte gar nicht zugetraut hatten und überrascht waren. Die Reaktion aus dem Parlament fiel überwiegend positiv aus, selbst von parteipolitisch unerwarteter Seite.
Martin Schulz zum Beispiel, der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion, gab zu, von Sarkozy positiv überrascht worden zu sein: "Ich gratuliere Ihnen vor allen Dingen, weil Sie sich als Pro-Europäer geoutet haben." Sarkozy sei es auch um Frankreich gegangen, aber nicht nur. "Stattdessen ging es um Europa, und da ist die Bilanz gut."
Kritik von den Grünen
Kein gutes Haar ließ dagegen Daniel Cohn-Bendit von den Grünen am Ratspräsidenten. Wenig überraschend war, dass Cohn-Bendit der Klimakompromiss nicht weit genug ging. Doch so richtig in redete er sich dann erst bei einem allgemeineren Thema in Rage. Sarkozy habe die Europäische Kommission für sich eingespannt, sagte Cohn-Bendit. "Sie haben die Kommission auf die Rolle eines Sekretariats des Europäischen Rates reduziert."
Sarkozy reagierte auf derartige Redebeiträge ruhig, souverän, oft witzig. Die Ratspräsidentschaft habe ihn toleranter gemacht, hatte er zuvor bekannt. Vielleicht gilt das auch gegenüber verbalen Angriffen.