Sozialisten besser als erwartet
18. Juni 2007Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat die rechtskonservative Regierungspartei UMP ihre absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verteidigt, die angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit jedoch verfehlt. Laut dem in der Nacht zum Montag (18.6) bekannt gegebenen vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die Partei von Staatspräsident Nicolas Sarkozy 314 der insgesamt 577 Mandate. Die Sozialistische Partei (PS) der unterlegenen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal legte um 36 Mandate zu, kam damit auf 185 Sitze und schlug sich besser als erwartet. Die Bipolarisierung der Präsidentschaftswahl bestätigte sich damit.
Für die Union für eine Volksbewegung (UMP) bedeutet das Wahlergebnis 45 Sitze weniger als in der scheidenden Nationalversammlung. Vertreter von zumeist mit der UMP verbündeten Rechtsparteien errangen zusammen 31 Mandate. Die mit den Sozialisten verbündeten Radikalen Linken kommen auf sieben Abgeordnete. Die Kommunistische Partei stellt künftig 15 Abgeordnete, ebenso viel wie verschiedene andere Linke.
Bayrou gelingt Wiedereinzug
Drei Sitze entfallen auf die Demokratischen Bewegung (MoDem) des liberalen Präsidentschaftskandidaten François Bayrou. Er zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Die Grünen sind künftig mit vier statt mit bisher drei Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Die rechte Bewegung für Frankreich von Phillipe de Villiers erreichte ein Mandat. Leer ging die rechtsextreme Partei Front National von Jean-Marie Le Pen aus. Seine Tochter Marine Le Pen verfehlte das einzige mögliche Abgeordnetenmandat für die Rechtsextremisten.
Daten und Fakten zu Frankreich
Vize-Premier Alain Juppé, zugleich Superminister für Umwelt, nachhaltige Entwicklung, Energie und Verkehr, wurde in seinem Heimat-Wahlkreis in Bordeaux geschlagen und kündigte seinen Rücktritt an. Denn die Eroberung eines Parlamentsmandats ist in Frankreich traditionell Voraussetzung für das Ausüben eines Ministeramtes. Am Montag machte er seine Rücktrittsankündigung jedoch zunächst nicht wahr. Staatssekretär Eric Besson legte Sarkozy nahe, bei Juppé eine Ausnahme zu machen und ihm im Kabinett zu behalten. Eine Stellungnahme gab es dazu zunächst nicht.
Juppés Niederlage ist ein schwerer Schlag für die Regierung. Premierminister François Fillon hatte seine Ministerriege in dieser Woche ursprünglich nur um Staatssekretäre ergänzen wollen. Das Superressort hatte Sarkozy extra auf Juppé zugeschnitten und der Umweltpolitik höchste Priorität eingeräumt.
In der ersten Wahlrunde vor einer Woche hatte die neue UMP-Fraktion bereits 100 Mitglieder bekommen. Die Sozialisten hatten einen einzigen Sitz errungen. In der zweiten Runde wurden nun die restlichen 467 Mandate vergeben. Dabei war der UMP ein erdrutschartiger Sieg, ein "blauer Tsunami", vorhergesagt worden. Dass dieser ausblieb und die Sozialisten letztlich unerwartet stark abschnitten, lag einerseits an der geringen Wahlbeteiligung. In Erwartung des UMP-Triumphes waren viele Partei-Anhänger zu Hause geblieben. Die Wahlbeteiligung von knapp 60 Prozent war der niedrigste Wert seit dem Beginn der fünften Republik im Jahr 1958.
Umstrittene Mehrwertsteuererhöhung
Als weiteren Grund für die UMP-Einbußen sahen Regierungs- und Oppositionspolitiker den Streit um die Regierungspläne zur Mehrwertsteuererhöhung. Der frühere konservative Mittelstandsminister Renaud Dutreil sagte, Wirtschafts- und Finanzminister Jean-Louis Borloo werde sich in diesem Zusammenhang wegen eines "schweren Kommunikationsfehlers" erklären müssen. Auch für Sarkozy ist das Ergebnis ein erster, starker Dämpfer.
Das Parlament soll bis Ende Juli in einer Sondersitzung erste von Sarkozy angekündigte Maßnahmen in die Tat umsetzen. Die 13. Legislaturperiode von Frankreichs Fünfter Republik wird am 26. Juni beginnen.
Royal gab unterdessen ihre Trennung von ihrem Lebensgefährten, dem Sozialistenchef François Hollande, bekannt. Beide waren seit Jahrzehnten ein Paar und haben vier gemeinsame Kinder. Royal sagte, sie habe Hollande wegen dessen Liebesaffäre gebeten, die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Sie bestätigte außerdem, dass sie sich um Hollandes Nachfolge an der Spitze der Sozialistischen Partei bewerben wolle. (mad)