Scharfe Kritik an BVB und Watzke
6. Februar 2017Wer ist Schuld an den Ausschreitungen vor dem Spiel und den geschmacklosen Spruchbändern im Dortmunder Stadion beim Spiel gegen Leipzig? Diese Frage beschäftigt Fußball-Deutschland auch zwei Tage nach der Partie am Samstag fast so sehr wie die nach den Konsequenzen. Während Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Montag harte Strafen für die Täter forderte, musste BVB-Boss Watzke scharfe Kritik einstecken – aus den Reihen organisierter RB-Fans, aber auch von offizieller Seite: "Sie stehen persönlich zumindest moralisch für Gewalt- und Hassexzesse Ihrer Anhänger gegenüber den RB-Leipzig-Fans", heißt es in einem Offenen Brief des Leipzig-Fanklubs Bornaer Bullen. Der BVB-Geschäftsführer würde mit seinen verbalen Spitzen gegen den finanzstarken Emporkömmling "öffentlich Hass schüren".
Auch Rainer Milkoreit, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), sah in den "abartigen" Vorkommnissen beim Spitzenspiel und Watzkes Verhalten einen Zusammenhang. "Es ist fatal, wenn sich verantwortliche Leute in einem Verein öffentlich abwertend gegen Leipzig äußern. Das kann Dinge auslösen, die sie vielleicht nicht wollen, die aber passieren", sagte der frühere DFB-Vizepräsident.
Watzke lässt die Kritik nicht kalt; Mit betroffener Miene und ernster Stimme geißelte der BVB-Geschäftsführer am Montag in einer Videobotschaft erneut das Verhalten der eigenen Problemfans und bat die Öffentlichkeit um Geduld bei der Aufklärung. Zu der scharfen Kritik an seiner Person, die nach den skandalösen Vorfällen aufgekommen war, sagte er jedoch nichts. Man arbeite "mit Hochdruck an der Aufklärung" und habe "das Gefühl, dass wir erste Täter ermitteln konnten", sagte Watzke: "Ich bitte Sie aber um ein paar Tage Geduld, weil jetzt Genauigkeit vor Schnelligkeit geht. Sie können sicher sein, dass wir alles, aber auch wirklich alles in unserer Kraft stehende tun werden, um diesen Dingen ein für alle Mal einen Riegel vorzuschieben."
"Hässliche Worte, hässliche Taten"
Die Kommentarspalten vieler Medien lesen sich ähnlich. "Hässliche Worte sind der Nährboden für hässliche Taten", kommentierte die "Mitteldeutsche Zeitung". Und die "Leipziger Volkszeitung" schrieb: "RB verliert ein Spiel, BVB aber viel mehr." Das Blatt kommentierte: "Dieses Spiel wird und muss ein Nachspiel haben. Für tatsächliche und geistige Brandstifter." Und auch die DW fand deutliche Worte und forderte harte Konsequenzen.
Andere halten den Zusammenhang dagegen für konstruiert und sehen keine Schuld bei Watzke. Die Hooligans hätten sich auch ohne die Sticheleien des BVB-Bosses ("Rasenschach Leipzig", "Da wird Fußball gespielt, um eine Getränkedose zu performen") danebenbenommen. Das Projekt RB ist für viele Fans ein Rotes Tuch - auch ohne Watzkes Kommentare.
Unter Strich bleibt aber stehen: Sechs Leipziger Anhänger, vier Polizisten und ein Polizeihund wurden verletzt. Die Stimmung vor, während und nach der Partie war höchst aggressiv. "In solche hasserfüllten Fratzen habe ich noch in keinem meiner Polizeieinsätze gesehen", berichtete Polizeieinsatzleiter Edzard Freyhoff. "Wir fühlten uns wie Vieh, das zur Schlachtbank geführt wurde", sagte RB-Fan Winfried Müller der "Leipziger Volkszeitung".
De Maizière: "Schnelle, harte Reaktion"
Geschockt zeigte sich auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. "Wer Steine und Getränkekisten auf Polizisten schleudert und dabei nicht mal auf Familien und Kinder Rücksicht nimmt, ist in Wahrheit kein Fußballfan und gehört nicht ins Stadion, sondern hinter Schloss und Riegel", sagte de Maizière der "Bild": "Ich hoffe auf eine schnelle und harte Reaktion der Justiz, damit alle wissen, was ihnen droht, wenn man sich so verhält."
Damit sich die Übergriffe, aber auch das Aufhängen von zum Teil abstoßenden Plakaten beim nächsten Auswärtsspiel der Leipziger am 19. Februar in Mönchengladbach nicht wiederholen, appellierte Borussia-Manager Max Eberl an die Fohlen-Fans, "den Rahmen des guten Anstands beizubehalten". Das sei in Dortmund nicht geschehen, kritisierte Eberl: "Was da passiert und was wir alle ja gesehen haben, ist eine Katastrophe für den Fußball gewesen. Ich will keine Schweine hängen sehen und auch keine Manager hängen sehen. Das ist krank."
Der BVB hatte sich bereits am Sonntag "aufs Schärfste von jeder Form von Gewalt" distanziert und "harte Sanktionen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten" angekündigt. RB hatte von den Dortmunder Verantwortlichen eine "lückenlose Aufklärung" für die "nicht tragbaren und beschämenden" Vorfälle gefordert. Auch der frühere BVB-Profi Andreas Möller reagierte fassungslos. "In bin schockiert", sagte der Welt- und Europameister bei Sky90: "Väter und Kinder anzugreifen, das ist schon eine andere Dimension." Der ehemalige Schalke-Profi und -Manager Andreas Müller meinte: "Es ist eine Minderheit. Viele haben Angst vor dieser Gruppierung - nicht nur Fans, sondern auch Verantwortliche."
asz/to (sid, dpa)