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Schicksalswahl in NRW

9. Mai 2010

Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland wird ein neues Parlament gewählt. Möglicherweise wird die seit fünf Jahren amtierende schwarz-gelbe Regierung abgewählt. Und das wird Folgen für die Bundespolitik haben.

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Wahlplakate von Hannelore Kraft und Jürgen Rütgers (Foto: AP/DW)
Die beiden Kontrahenten: Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD)Bild: AP

In der Bundeshauptstadt Berlin herrscht Nervosität. Alle Augen richten sich auf Nordrhein-Westfalen (NRW). Denn hier entscheidet sich am Sonntag (9. Mai 2010) nicht nur, wie es in der Landeshauptstadt Düsseldorf weitergeht. Hier entscheidet sich auch, wie es in Berlin weitergeht. Genau wie im Bund regiert auch in NRW ein so genanntes schwarz-gelbes Bündnis aus CDU/CSU und FDP.

Noch, denn gut sieht es nach den jüngsten Umfragen nicht aus für diese Konstellation. Schwarz-Gelb liegt demnach gleichauf mit Rot-Grün, also einem Bündnis aus SPD und Grünen. Beide Konstellationen erreichen mit 45 Prozent allerdings nicht die Mehrheit. Sollte sich das ändern und es gibt eine Mehrheit für SPD und Grüne, dann wird das Durchregieren für die Bundesregierung in Berlin schwieriger werden.

Zünglein an der Waage

Blick in den Plenarsaal des Bundesrates (Foto: ap)
Der Bundesrat: Hier fallen die EntscheidungenBild: AP

Denn was immer auch das Kabinett und der Bundestag beschließen, die Gesetzesvorhaben müssen von einer weiteren Instanz genehmigt werden. Das ist der Bundesrat, auch Länderkammer genannt, dem Sitz der Ländervertretungen. Sollte nun in NRW eine rot-grüne Regierung gewählt werden, dann gibt es wieder eine Mehrheit für die Opposition im Bundesrat. Und die hat andere Pläne als die Regierung.

Merkels Projekte sind gefährdet

Die großen Zankäpfel zwischen Regierung und Opposition im Bund sind der Atomausstieg, die Steuersenkungen und die sogenannte Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Atommeiler in Brokdorf (Foto: dpa)
Das Atomkraftwerk in Brokdorf soll erst 2021 vom Netz gehenBild: picture-alliance/ dpa

Die alte Regierung aus SPD und Union hatte die Absicht, den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland voranzutreiben. Für die SPD war das ein wichtiges Wahlkampfthema vor den letzten Bundestagswahlen am 27. September 2009. Schwarz-gelb hielt noch nie viel von dieser Idee, so dass die Pläne für einen raschen Ausstieg schnell im Papierkorb landeten und neue Pläne für eine Laufzeitverlängerung auf dem Tisch lagen.

Das wird die Bundesregierung nicht mehr durchsetzen können, wenn im Bundesrat die Mehrheit gegen das Vorhaben ist. Allerdings könnte der Regierung eine juristische Finte helfen: Denn ganz sicher ist es nicht, ob der Bundesrat eine solche Entscheidung wirklich beeinflussen kann. Denn das Atomgesetz in Deutschland unterliegt etwas anderen Regeln. Sollte die Regierung die Laufzeitverlängerung für Atommeiler durchdrücken wollen, wird es einen zermürbenden Streit geben.

"Steuerentlastungen sind Wahnsinn“

Die vor allem von der FDP immer wieder beschworenen Steuersenkungspläne bleiben Schätzungen zufolge ein Wunschkonzert. Denn angesichts des desolaten Zustands der Haushaltskassen kann niemand ernsthaft behaupten, dass sich Deutschland jetzt noch Steuergeschenke an seine Bürger leisten kann. Die jüngste Steuerschätzung unterstreicht das noch. "Man muss den Wahnsinn, der da geplant wird, dringend stoppen", sagte zum Beispiel die SPD-Spitzenkandidatin für NRW, Hannelore Kraft. Und so könnte die oppositionelle Mehrheit im Bundesrat auch hierbei ein lautes und deutliches Veto aussprechen.

Unsoziale Kopfpauschale

Bundesgesundheitsminister Philipp Roesler (Foto: ap)
Gesundheitsminister Röslers Idee der Kopfpauschale ist äußerst umstrittenBild: AP

Und schließlich geht es um die Pläne des FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler. Davon sind viele zwar gut, aber einer ist seit Monaten umstritten: die Kopfpauschale. Bisher zahlt jeder Krankenversicherte einen Beitrag, dessen Höhe vom Einkommen abhängt. Rösler sieht vor, dass in Zukunft von jedem gleich viel an die Krankenkassen gezahlt wird. Was für Geringverdiener bedeutet, dass sie viel höhere Beiträge zahlen müssen als bisher. Und diejenigen mit einem sehr hohen Einkommen können sparen.

Das klingt natürlich nicht sehr sozial. Deswegen sollen die Geringverdiener vom Finanzamt einen sogenannten Sozialausgleich für die höheren Beiträge bekommen. Auf den ersten Blick sieht das aus wie eine gewaltige Umschuldungsmaßnahme. Und auf den zweiten Blick fehlen bei dieser Rechnung Millionen Rentner in Deutschland, die zwar krankenversichert sind und Beiträge zahlen, allerdings nichts an das Finanzamt abführen müssen, weil sie keine Steuern mehr zahlen. Bevor ein solches Vorhaben vom Bundesrat abgesegnet wird, müssen da noch so einige offene Fragen geklärt werden.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Kay-Alexander Scholz