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Schlechte Noten für Afghanistan-Politik

19. Mai 2010

Die fünf führenden deutschen Friedensforschungsinstitute haben ihr Friedensgutachten 2010 öffentlich gemacht. Darin stellen sie der westlichen Afghanistan-Politik schlechte Noten aus.

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Ein zerstörtes Fahrzeug nach dem jüngsten Selbstmordattentat in Kabul am Dienstag
Ein zerstörtes Fahrzeug nach dem jüngsten Selbstmordattentat in Kabul am DienstagBild: AP

Das Urteil der Fachleute hätte kaum deutlicher ausfallen können: Knapp neun Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes sei die Lage in Afghanistan "katastrophal", die bisherige Afghanistan-Strategie klar gescheitert. Und bis heute sei es der Internationalen Staatengemeinschaft nicht gelungen, außerhalb der Städte eine funktionierende Staatsstruktur in dem Land am Hindukusch aufzubauen.

Appell auch an die Adresse Berlins

Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg / Essen (Foto: AP)
Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg / EssenBild: picture alliance/dpa

Die Kritik richtet sich auch direkt an die Bundesregierung: So kritisieren die Wissenschaftler die im Januar beschlossene neue Strategie der schwarz-gelben Koalition als widersprüchlich. Sie schwanke zwischen Wiederaufbau und der amerikanischen Politik der Aufstandsbekämpfung. "Entwicklungshilfe darf nicht militärischen Zielen untergeordnet werden", so Jochen Hippler vom Duisburger Institut für Entwicklung und Frieden. "Denn das rückt die Helfer in die Schusslinie."

In den vergangenen Monaten hatten sich die USA und ihre NATO-Verbündeten darauf verständigt, die militärische Sicherheit schrittweise in die Hände der Afghanen zu legen und die Ausbildung einheimischer Soldaten und Polizisten zu verstärken. Ab Mitte 2011 sollen dann nach und nach die Soldaten der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF aus dem Land abgezogen werden.

Alle Akteure mit einbeziehen

Grundsätzlich plädieren die Experten in ihrem am Dienstag (18.05.2010) vorgestellten Gutachten dafür, sämtliche Gruppen in den Dialog mit einzubeziehen. Keine Konfliktpartei dürfe von vornherein von Friedensverhandlungen ausgeschlossen werden - das schließt auch Verhandlungen mit den Taliban ein. Zur Stabilisierung des Landes müsse der Westen die traditionellen Machtstrukturen und die regionalen Mächte in Afghanistan stärker berücksichtigen. Das bedeute im Umkehrschluss allerdings auch, dass man Abstriche bei Demokratie- und Menschenrechtsstandards hinnehmen müsse.

Einen "Masterplan" gibt es nicht

Afghnaischer Polizist auf Straße in Kabul (Foto:AP)
Afghanische Polizei ist vielfach überfordertBild: AP

Die Verfasser des Friedensgutachtens betonen, es gebe in der momentanen Lage keine eindeutigen Empfehlungen für das beste Vorgehen. "Umstritten ist, welche Option die am wenigsten schlechte ist", heißt es in der Analyse unter Verweis auf einen Vergleich der neuen Strategie des Westens mit anderen Optionen, etwa einem schnelleren Abzug oder einer Fortsetzung des militärischen Engagements.

Das Friedensgutachten wird seit 1987 jährlich veröffentlicht. Es wird im Auftrag des Bonner Konversionszentrums BICC, der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen erstellt.

Autorin: Esther Broders (afp/epd/kna)
Redaktion: Thomas Kohlmann