Schluss mit allen Schnörkeln – der Architekt Walter Gropius
19. März 2009Er steht für einen strikten Oppositionskurs zu jeder Tradition des Bauens und des Designs. Ob es daran lag, dass er aus einer Architektenfamilie stammte? Er selbst wurde 1883 in Berlin geboren, sein Vater Walther Gropius war Geheimer Baurat, sein Großonkel war der Schinkel-Schüler Martin Gropius, der unter anderem den nach ihm benannten Museumsbau entwarf. Der Name Walter Gropius verknüpft sich vor allem mit der Gründung des Bauhauses 1919. Aber schon vor und lange nach seiner Bauhaus-Zeit hat er Marksteine der Baukunst gesetzt - ein "Stararchitekt", wie man heute sagen würde.
Teamarbeit statt Starkult
Er selbst dagegen verabscheute jeden Starkult. Noch bevor er das Bauhaus in Weimar gründete, gehörte er zu einer widerspenstigen Architekten-Gruppe, die "das Verschwinden der Persönlichkeit" des Künstlers forderte. Arbeit im Team hieß seine Devise, und die setzte er ab 1919 im Bauhaus um. Für ihn ein Labor, das intellektuelle Auseinandersetzungen ermöglichte: Meister und Schüler sollten voneinander lernen. Arbeitsgrundlage war die genaue Analyse visueller Phänomene: "Wenn ich eine Wand in Kanariengelb habe, kommt sie auf mich zu", stellte Gropius fest, "wenn sie dunkelblau ist, geht sie zurück. Alle diese Tatsachen, die nichts mit dem Physiologischen zu tun haben, sondern nur mit Psychologie, haben wir systematisch studiert."
Traumziel Gesamtkunstwerk
In diesem Geist des Forschens und Experimentierens sollten Vertreter verschiedener Disziplinen praktisch alles vom Hochhaus bis zur Untertasse kreieren. Ein utopischer Impuls und der Wunsch nach einem neuen Lebensentwurf waren damit verbunden - nicht zuletzt nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, den Gropius selbst an der Westfront und als "Katastrophe der Weltgeschichte" erlebte. Er sah die Zeit für einen Neubeginn gekommen. Sein ehrgeiziges Ziel: den "Bau der Zukunft" als Gesamtkunstwerk zu schaffen.
Im Bann der Femme Fatale
Mitunter hatte auch sein Privatleben etwas von einem Gesamtkunstwerk. Im Mittelpunkt: Alma Mahler, die nicht nur Ehefrau des Komponisten Gustav Mahler war, sondern auch Femme Fatale und Muse für Künstler wie Alexander von Zemlinsky, Oskar Kokoschka, Franz Werfel und etliche andere. Gropius heiratete sie nach Mahlers Tod, die gemeinsame Tochter Manon starb im Alter von 18 Jahren. Ihr widmete der Komponist Alban Berg, seinerseits heftig in Alma verliebt, sein Violinkonzert, "Dem Andenken eines Engels". Da war Gropius’ Ehe längst geschieden. Länger – bis an sein Lebensende – hielt die zweite Ehe mit der Buchhändlerin Ilse Frank.
Leichtigkeit mit Stahl und Glas
Schon acht Jahre vor der Bauhaus-Gründung, im Jahr 1911, war Gropius ein bahnbrechendes Beispiel des "Neuen Bauens" gelungen: Gemeinsam mit dem Kollegen Adolf Meyer hatte er das "Faguswerk" im niedersächsischen Alfeld entworfen, eine Schuhleistenfabrik mit klaren kubischen Formen und transparenten Konstruktionen aus Stahl und Glas, die dem Bau eine bis dahin unbekannte Leichtigkeit geben. Heute zählt er zum Weltkulturerbe.
Den Nationalsozialisten war Gropius’ Handschrift ein Dorn im Auge; sie schlossen das Bauhaus, das er selbst schon 1928 verlassen hatte. Er emigrierte erst nach England, dann in die USA. Dort gründete er 1946 "The Architects' Collaborative", wo er sein Ideal von der Teamarbeit verwirklichen konnte, so wie er es knapp drei Jahrzehnte zuvor am Bauhaus begonnen hatte.
Bauen von Berlin bis Bagdad
Nicht alles, was Gropius entwarf, wurde zur Erfolgsgeschichte. In Berlin schuf er einen ganzen Stadtteil, der seinen Namen trägt: Gropiusstadt, ein großzügig angelegter Hochhauskomplex mit viel Licht und Luft und Grün. Nicht zuletzt aufgrund einer problematischen Vermietungspolitik entstand dort allerdings ein Bündel sozialer Probleme. Doch Gropius prägte das Gesicht Berlins auch in anderen Siedlungen – so wie im Hansaviertel, das zum Mekka für Architektur-Touristen wurde, und zu dem er einen elegant geschwungenen Zeilenbau mit neun Etagen beisteuerte. Wer alle Bauten von Walter Gropius sehen will, muss aber nicht nur nach Berlin reisen. Sondern auch nach Athen, London und New York, nach Bagdad oder Boston, wo er 1969 starb.
Autorin: Aya Bach
Redaktion: Gaby Reucher