Schmidt-Chanasit: "Für eine Pandemie ist das Virus zu aggressiv"
14. April 2014Deutsche Welle: Herr Schmidt-Chanasit, das Ebola- Virus beschränkt sich bisher auf Westafrika. Wie hoch ist das Risiko, dass es sich noch weiter ausbreitet?
Jonas Schmidt-Chanasit: Das ist schwer einzuschätzen. Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitgeteilt hat, ist es eine besondere Situation. Denn es ist das erste Mal in Westafrika, dass so ein massiver Ausbruch des Ebola-Virus' stattfindet. Die WHO geht davon aus, dass man das Ganze wahrscheinlich erst in drei bis vier Monaten wieder unter Kontrolle bekommen wird. Die Menschen in dieser Region reisen sehr viel. Im Gegensatz zum Kongo, wo die Ausbrüche in abgelegenen Regionen waren. Insofern ist die Frage, wie schnell und wie gut man das unter Kontrolle bekommen kann.
Welche Maßnahmen werden denn bereits getroffen?
Das ist sehr verschieden. Ganz wichtig ist die schnelle Diagnostik Infizierter. Dafür gibt es ein mobiles Labor in Guinea, das mit einer multinationalen Mannschaft aus Europa besetzt ist. Darüber hinaus ist es auch wichtig, Kontaktpersonen zu identifizieren. Dafür gibt es kleine Teams von Epidemiologen, die im Land unterwegs sind. Die Personen werden dann 21 Tage kontrolliert, ob sie sich infiziert haben oder nicht.
Und wie geht man vor, wenn die Infektion eines Patienten festgestellt wurde?
Das Idealziel ist, alle Personen zu identifizieren, die Kontakt zu Infizierten hatten. Die Kranken werden in entsprechend gut ausgerüsteten Kliniken untergebracht, die von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" aufgebaut wurden. Schwierigkeiten entstehen, wenn man die Kontaktperson nicht ausfindig machen kann. Zum Beispiel gibt es Menschen vor Ort, die Angst haben, ins Krankenhaus zu gehen - sie denken, dort infiziert man sich erst recht mit dem Ebola-Virus.
Nun gibt es sogar auch erste Hinweise, dass es dazu noch relativ asymptomatische Patienten gibt: Die sind zunächst beschwerdefrei, können das Virus allerdings übertragen. Das ist neu - und wichtig zu wissen, damit man auch diese Patienten ausfindig machen und beobachten kann.
Früher haben wir immer gedacht: Die Leute müssen auch schwer krank sein oder zumindest erhebliches Fieber haben, damit sie eine hohe Menge an Viren in den Körperflüssigkeiten haben. Diese neue Erkenntnis macht die ganze Situation natürlich noch schwerer kontrollierbar und muss weiter untersucht werden.
Wie schnell verbreitet sich das Virus, wenn es einmal aufgetreten ist?
Das ist ganz unterschiedlich: Wenn man gar nichts unternehmen würde, würde es sich massiv und sehr stark verbreiten. Mit entsprechenden Maßnahmen findet das natürlich langsamer statt. Wie es aussieht, konzentriert es sich zurzeit nach wie vor auf die Regionen des ersten Ausbruches. Die liegen im abgelegenen Gebiet von Guinea, im Südosten des Landes. Sodass man vielleicht die Hoffnung haben könnte, dass es nicht doch noch viele weitere Länder betrifft. Wir haben positive Nachrichten, dass es nicht nach Ghana übergegriffen ist. Dort waren alle Tests negativ. Auch die Verdachtsfälle in Sierra Leone sind negativ wie die in Mali. Insofern sind bisher nur zwei Länder betroffen: Guinea und Liberia.
Wie langlebig ist dieses Virus?
Wenn man vom Menschen ausgeht - also vom infizierten Patienten - dann ist das Virus nicht sofort tot, wenn der Mensch gestorben ist. Es kann für eine gewisse Zeit in den Körperflüssigkeiten von toten Organismen überleben. Kontaktpersonen könnten sich dann durch bestimmte Rituale infizieren, wie beispielsweise die Toten zu waschen. Wenn der Verwesungsprozess nach ein paar Wochen einsetzt, ist das Virus dann wahrscheinlich auch nicht mehr infektiös.
Könnte sich das Ebola-Virus auch über Länder und Kontinente ausbreiten - also eine Pandemie wie beim Grippevirus auslösen?
Nein, denn dafür ist das Virus einfach zu aggressiv. Es tötet zu schnell. Die Erkrankung ist viel schwerwiegender als bei der Influenza. Erkrankte werden sehr schnell auffällig, weil sie eine schwere Symptomatik haben.
Das Interview führte Lea Pötter.
Jonas Schmidt-Chanasit ist Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.