Kaum Chancen auf Asyl für Kosovaren in Deutschland
9. Februar 2015Deutsche Welle: Mehr als 30.000 Kosovaren sind in den vergangenen zwei Monaten nach Deutschland gekommen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Können Sie diese Zahlen bestätigen - und ist die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Bundesrepublik berechtigt?
Manfred Schmidt: In der Tat haben wir einen sehr starken Anstieg von Asylantragstellern aus dem Kosovo festgestellt. Allein im Monat Januar haben sich diese Zahlen im Vergleich zum Dezember mehr als verdoppelt. Wenn wir den Januar 2015 mit dem 2014 vergleichen, haben wir eine Steigerungsquote von 572 Prozent.
Doch die Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland ist nicht berechtigt: Die Anerkennungsquote bei Asylanträgen von kosovarischen Staatsangehörigen liegt bei nahezu null Prozent.
Wir haben auf die wachsende Zahl von Antragstellern ohne Schutzgründe gerade aus dem Kosovo reagiert: Wir haben zum einen unsere Verfahren umgestellt, Asylanträge von kosovarischen Staatsangehörigen werden bevorzugt bearbeitet, wir versuchen, so schnell wie möglich zu entscheiden. Wir haben mit den Bundesländern vereinbart, bei abgelehnten Antragstellern so schnell wie möglich die zwangsweise Abschiebung in den Kosovo zu veranlassen. Wird diese durchgeführt, bedeutet dies, dass diese Staatsangehörigen eine Wiedereinreisesperre für den gesamten Schengen-Raum bekommen.
Der Kosovo gilt als Armenhaus Europas, mit einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent - und in Deutschland fehlen in bestimmten Bereichen Fachkräfte. Haben diese Menschen trotzdem keine Chance, Asyl in der Bundesrepublik zu bekommen?
Die wirtschaftliche Situation im Kosovo ist schwierig, das ist uns bekannt, ich war im Herbst selbst vor Ort. Doch Armut ist nach der Genfer Flüchtlingskonvention kein Grund, Flüchtlingsschutz zu gewähren. Weder in Deutschland noch in den anderen EU-Ländern genügt das zur Anerkennung einer Person als Flüchtling.
Wie sieht das Verfahren aus, wenn ein Kosovare nach Deutschland kommt?
Das Verfahren sieht so aus, dass wir hier in unseren Dienststellen die Identität feststellen. Wir machen eine Sicherheitsüberprüfung, es werden Lichtbilder gemacht, Fingerabdrücke abgenommen, dann fällt innerhalb von zehn Tagen eine Entscheidung. Dabei gibt es fast ausschließlich negative Entscheidungen, die meisten Asylanträge sind offensichtlich unbegründet - und dann fordern wir zur Ausreise auf. Wird dieser Ausreisepflicht nicht nachgekommen, wird die Person zwangsweise rückgeführt.
Wo wohnen die Menschen, bis sie wieder abgeschoben werden?
Sie werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder verpflegt und untergebracht. Dort warten sie dann ab, bis wir entschieden haben. Bei einer Ablehnung des Asylantrags werden sie dann aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in den Kosovo zurückgeführt.
Sie kommen oft auch mit Kindern nach Deutschland. Wie sind die Bedingungen in den Unterkünften?
In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie in Gemeinschaftsunterkünften auf relativ engem Raum untergebracht. Das ist für Kinder schwierig - Landeserstaufnahmeeinrichtungen sind kein Hotelbetrieb.
Aber es gibt für sie kaum eine Möglichkeit, auf Dauer in Deutschland zu bleiben - jedenfalls nicht über das Asyl. Will man in die Bundesrepublik kommen - das gilt auch für kosovarische Staatsbürger - gibt es natürlich die Möglichkeit des legalen Zugangs: durch ein Visum und einen Arbeitsplatz in Deutschland.
Der Kosovo gehört aber immer noch zu den unsicheren Ländern auf dem Balkan - im Unterschied von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, die als sichere Herkunftsländer ausgewiesen wurden. Hat das irgendeine Bedeutung für die Asylanträge von Kosovaren?
Der Kosovo ist nicht als unsicheres Herkunftsland ausgewiesen, sondern die anderen drei wurden zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Das ist ein Unterschied. Bei allen Ländern vom Westbalkan, aus denen sehr viele Menschen kommen, die keine Schutzgründe haben, entscheidet meine Behörde sehr schnell. Im Moment wird aber von verschiedener Seite gefordert, auch den Kosovo als sicheres Herkunftsland auszuweisen.
Der Jurist Manfred Schmidt ist seit 2010 Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
Das Gespräch führte Bahri Cani.