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Schulz: Stille Mäuschen haben es schwerer

Stefan Dege22. Dezember 2014

Sind Männer im Kulturbetrieb per se erfolgreicher als Frauen? Oder machen Frauen etwas falsch? Antworten dazu von Gabriele Schulz, der Vizechefin des Deutschen Kulturrates.

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Bild: Fotolia/arsdigital

DW: Frau Schulz, sind Frauen im Kulturbetrieb weniger erfolgreich als ihre männlichen Kollegen?

Gabriele Schulz: Vielleicht nicht weniger erfolgreich, jedenfalls nicht die, die es geschafft haben. Aber es ist für Frauen schwieriger sich durchzusetzen. Und sie verdienen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.

Sind Männern und Frauen gleichgestellt?

Ein Positivbeispiel ist sicher der Bibliotheksbereich. Das ist eine Oase der Frauen, wo sie es auch in höchste Positionen schaffen. Man denke an die Deutsche Nationalbibliothek oder an die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. In der Sparte Theater oder in den Orchestern sieht es schon anders aus. Dort dominieren nach wie vor die Männer. Etwa im Fach Dirigat gibt es außerordentlich wenige Frauen, die es geschafft haben, eine Spitzenposition zu erreichen. Die Trennung von Männern und Frauen ist in den Spitzenpositionen sehr deutlich zu sehen. Frauen haben es schwer, solche Spitzenpositionen zu erreichen.

Woran liegt das?

Das liegt zum Teil daran, dass schon die Ausgangsbasis unterschiedlich ist. Etwa beim Dirigieren: Da studieren wesentliche weniger Frauen als Männer. Da habe ich schon ein kleineres Potential an solchen, die überhaupt mal eine Spitzenposition erreichen könnten. In vielen Disziplinen ist das so. Schwerwiegender ist noch, dass in den Hinterköpfen offenbar immer noch ein Bild des unabhängigen, erfolgreichen, männlichen Künstlers präsent ist. So müssen Frauen sich doch sehr abstrampeln, um Fuß zu fassen. Bemerkenswert ist auch, dass unter freiberuflichen Künstler schon bei Berufsanfängern deutliche Einkommensunterschiede herrschen.

Gabriele Schulz
Gabriele Schulz kennt sich im Kulturbetrieb ausBild: Tim Flavour

Wollen Männer mehr? Sind sie machtversessener, geldgieriger als Frauen?

Ich würde es andersherum formulieren: Frauen sind vielleicht zu vorsichtig und zu wenig fordernd, vor allem am Anfang. Oft bedeutet schon ein niedrigerer Einstieg einen Verlauf auf geringerem Niveau, das heißt, die Einkommensunterschiede verstärken sich noch im Laufe der Zeit und nehmen nicht ab.

Erfolgreiche Frauen lassen sich an wenigen Händen abzählen. Was macht Frauen denn erfolgreich?

Selbstbewusstsein, keine Kinderphase einlegen! Denn ganz wichtig im Kulturbetrieb ist Präsenz. Präsent zu sein, wahrgenommen zu werden, sich nicht schüchtern zu verstecken und zu warten, dass jemand einen entdeckt - darauf kommt es an. Stille Mäuschen, die sehr gute Arbeit abliefern, sich aber nicht nach vorne trauen, die haben es schwer. Das gilt auch für Männer. Aber Frauen nehmen häufiger diese Rolle ein. Solche, die forsch sind, sich etwas zutrauen und ihren Ball ins Spielfeld bringen, die haben es leichter.

Glauben Sie, eine Frauenquote kann die Ungleichheiten mildern oder sogar beseitigen?

Man muss da unterscheiden zwischen Positionen in Kultureinrichtungen und bei der individuellen Künstlerförderung. Da läuft es sehr unterschiedlich. Nehmen Sie ein Vorspiel in Musikhochschulen. Wenn hinter einem Vorhang vorgespielt wird und die Prüfer nicht wissen, ob dahinter ein Mann oder eine Frau ist, laufen die Entscheidungen anders. Bei Ausstellungen ist das ähnlich: Wenn ein Kurator bei der Auswahl von Kunst nicht weiß, ob sie von Männern oder Frauen stammt, trifft er vielleicht andere Entscheidungen. Dann kommen häufiger Frauen zum Zug. Viele solcher Maßnahmen könnten dafür sorgen, dass Frauen stärker präsent sind.

Gabriele Schulz ist stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats.

Das Interview führte Stefan Dege.