Schurke oder Partner?
7. Dezember 2007Henry Kissinger wird bis heute mit den Worten zitiert, im Nahen Osten könne es keinen Krieg ohne Ägypten geben - und keinen Frieden ohne Syrien. Zur Hälfte ist diese Theorie widerlegt: Dank Hisbollah, verschiedenen militanten Palästinensergruppen und nicht zuletzt der israelischen Armee gab es im Nahen Osten inzwischen auch blutige Kriege ohne ägyptische Beteiligung. Aber mit dem zweiten Teil seiner Theorie könnte Kissinger Recht behalten: Ohne Einbeziehung Syriens dürfte ein umfassender Frieden in Nahost kaum möglich sein.
Es ist auch ein Verdienst der deutschen Diplomatie, dass diese Einsicht nun offenbar zunehmend Eingang in die Außenpolitik der USA findet. Die Einladung Syriens zur Friedenskonferenz von Annapolis war ein erstes Signal und zugleich ein erster bescheidener Erfolg bei dem Versuch, Damaskus aus dem Verein der so genannten "Schurkenstaaten" herauszulösen und eine Alternative zu Syriens bisheriger Zweckallianz mit dem Iran aufzuzeigen.
Syrien: Teil oder Lösung des Problems?
Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich schon vor einem Jahr optimistisch, als er bei einem Besuch in Damaskus verkündete: Laut Präsident Bashar Al-Assad wolle Syrien "nicht länger Teil des Problems, sondern Teil der Lösung im Nahen Osten sein". Steinmeier betonte damals auch gegenüber Assad, dass er der festen Überzeugung sei, dass Syrien eine andere und bessere Perspektive habe, als die bisher verfolgte. "Ihr Land strebt nach wirtschaftlichen und politischen Reformen und Sie benötigen Investitionen, wenn Sie Arbeitsplätze für ihre Jugend schaffen wollen", stellte Steinmeier fest.
Syriens Schlüsselrolle in der Region gründet allerdings darauf, "Teil des Problems" zu sein. Damaskus ist vor allem deshalb wichtig und einflussreich, weil es radikalen Palästinensergruppen, wie der Exilführung der Hamas, Schutz gewährt und großen Einfluss auf die Hisbollah und damit nach wie vor auf die politische Gesamtlage im Libanon hat. Beides lässt sich bestens als politisches Faustpfand und zur Torpedierung jedes noch so gut konzipierten Friedensansatzes in der Region nutzen.
Politisches Erpressungspotential in Syriens Händen
Präsident Assad wird dieses politische Erpressungspotential nicht ohne Not aus der Hand geben, sondern sich jeden Kooperationswillen teuer abkaufen lassen. Seine Interessen sind bekannt: Er will nicht nur die Rückgabe der seit 1967 von Israel besetzten Golanhöhen. Er will auch Damaskus' Einfluss im bis vor zweieinhalb Jahren noch syrisch besetzten Libanon wahren. Und er will verhindern, dass sein Regime wegen des Mordes am ehemaligen libanesischen Regierungschef Rafik Hariri international an den Pranger gestellt wird.
Assad benötigt aber auch ausländische Hilfen für die Modernisierung seiner heimischen Wirtschaft - wie Steinmeier angedeutet hat, könnte hier in Kombination mit einer realistischen Aussicht auf Rückgabe der Golanhöhen tatsächlich ein Hebel liegen. Ob das allerdings ausreichen wird, ist fraglich. Wenn die westlichen Länder und allen voran die USA Syrien ernsthaft in einen regionalen Friedensprozess einbeziehen wollen, dann werden sie, ähnlich wie im Falle Libyens, wohl ein weiteres Mal nicht um politisch schmerzhafte Zugeständnisse an einen undemokratischen Machthaber der Region herumkommen.