Schutzzonen beleben Schottlands Gewässer
13. Juli 2021An der Geschwindigkeit, mit der sich der Wandel vollzog, erkannte Howard Wood, dass etwas gewaltig schief lief.
Als er in den 1970er-Jahren begann, in den kristallklaren Gewässern vor der schottischen Insel Arran zu tauchen, fand sich auf dem Meeresboden eine bunte Fülle von Fischen, Schalentieren und Pflanzen. "In den späten 80er-Jahren sah man, wie Jahr für Jahr Arten verschwanden. Es wurde klar, dass es sich hier um keine langwierige, langsame evolutionäre Veränderung handelt, sondern dass es rasend schnell geht", so Wood. Er ist Taucher und Mitbegründer des Community of Arran Seabed Trust (COAST).
Er sah mit eigenen Augen, welche Auswirkungen ein neuer Typus von Schwimmbaggern hatte. Damit konnte man Jakobsmuscheln - ein wertvolles Schalentier - vom Meeresboden auflesen, der bisher auf diese Weise nicht befischbar war. 1984 hob das Vereinigte Königreich dann Gesetze aus dem 19. Jahrhundert auf, die die Schleppnetzfischerei im Umkreis von fünf Kilometern um die schottischen Küsten verboten hatten.
Von karg zu üppig
In den frühen 1990er-Jahren war die Küste eine Unterwasserwüste, erinnert sich Wood. Zusammen mit ein paar Freunden setzte er sich 1995 für eine"No-Take”-Zone vor der Insel ein – für ein Gebiet also, in dem nicht gefischt und Ressourcen abgebaut werden dürften.
Inspiriert wurde Wood von seinem Freund Don McNeish, der selbst die positive Wirkung der Leigh No-Take-Zone in der Nähe von Auckland erlebt hatte. Das Gebiet in Neuseeland war weltweit eines der ersten solcher Schutzzonen.
Es dauerte 13 Jahre, bis ihre Kampagnenarbeit Erfolg hatte. Im Jahr 2008 erklärte die schottische Regierung ein 2,67 Quadratkilometer großes Gebiet auf der Nordseite der Insel zur "No-Take”-Zone. Sie wurde um die Lamlash Bay herum eingerichtet - ein silbern glitzerndes Stück Meer wie aus dem Bilderbuch, geschmückt vom riesigen Felsen von Holy Island. Dieser Bereich ist nun vollständig geschützt.
In den ersten fünf Jahren ergaben Untersuchungen durch Meereswissenschaftler der Regierung nur geringfügige Veränderungen in der Jakobsmuschel-Population. Als Folge der Überfischung beschrieb eine Studie aus dem Jahr 2010 eine "ökologische Kernschmelze" im Firth of Clyde, wo auch die Lamlash Bay liegt. Zwei Meeresbiologen der Universität York in England leiteten das Forschungsvorhaben. Sie stellten bei einigen Fischpopulationen einen Rückgang um bis zu 99 Prozent fest.
Allmählich werden aber die Vorteile der Lamlash-Zone deutlich, so Bryce Stewart von der Universität York, der das Gebiet untersucht hat.
"Im Vergleich zu den Gebieten in der direkten Nachbarschaft sehen wir eine allgemeine Zunahme der Artenvielfalt", sagt er. "Wir haben eine fast vierfach höhere Dichte an Königsmuscheln in der "No-Take”-Zone als damals im Jahr 2010. Und sie sind auch viel größer, viel älter und viel produktiver in der Fortpflanzung. Außerdem sehen wir einen großen Zuwachs an Hummern."
Laut Howard Wood gedeihen hier auch Algen, Korallen und andere Lebensformen wieder.
Die Bevölkerung mit an Bord holen
In Großbritannien gibt es inzwischen vier solcher Schutzzonen. Die Idee macht auch in anderen Ländern Schule. Wood sagt, dass COAST von Menschen und Organisationen aus der ganzen Welt um Rat gefragt wird, wie man so eine Zone einrichtet. Darunter sind auch Länder wie Spanien und Mauritius.
Sein Rat ist immer "die Bevölkerung an Bord zu holen, dann wird die Politik langsam folgen."
Problembewusstsein schaffen und die Menschen über das Leben unter der Wasseroberfläche aufklären. Das hilft, die Unterstützung der Gemeinde zu gewinnen, so Jenny Stark, die das Outreach-Programm der Organisation leitet. Anfänglich zeigte COAST Gemeindegruppen vor Ort Filme, um Unterstützer zu gewinnen. Auch weiterhin werben sie mit Filmen und pädagogischen Schautafeln im Besucherzentrum in der Lamlash Bay für die Botschaft der Organisation.
"Wenn wir den Leuten diese wunderbaren Dinge zeigen, von denen viele denken, man finde sie nur in tropischen Meeren, erkennen sie, dass es Sachen vor unserer eigenen Haustür gibt, die geschützt werden müssen", sagt Stark. "Wir können der Gemeinde die Veränderung zeigen. Unterwasserfotografie und Filmmaterial sind sehr wichtig - ein Bild sagt mehr als tausend Worte."
Dass es wieder mehr Meereslebewesen in den Gewässern rund um die Sperrzone gibt, hat laut Wood auch dazu beigetragen, Unterstützung in den Fischerdörfern zu bekommen. Einige Fischer sahen den Verlust eines Fanggebiets zunächst mit Sorge und befürchteten weitere Einschränkungen. Nachdem man die Zone eingerichtet hatte, gab es noch einige Übergriffe von "Piraten", die ohne Licht fischten - in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Aber auch das scheint jetzt vorbei zu sein.
Alistair Sinclair ist Koordinator beim nationalen Handelsverband Scottish Creel Fishermen's Federation (SCFC). Er sagt, dass seine Organisation ähnliche Zonen in ganz Schottland unterstützt, weil "jeder davon profitiert" - von den Fischern über die lokalen Gemeinden bis hin zu Freizeitanglern und Tauchern.
"Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen… für zukünftige Generationen von Fischern, ihre Gemeinden und auch für die Dienstleistungsindustrie, deren Lebensunterhalt von der Fischindustrie abhängt", sagt Sinclair.
Ein Bericht der internationalen Meeresschutzorganisation Oceana aus dem Jahr 2020 zeigt, dass von den 10 wirtschaftlich wichtigsten Arten in britischen Gewässern nur drei gesund und nachhaltig gefischt werden. Die südliche Nordseekrabbe und der Nordseekabeljau wurden als kritisch überfischt eingestuft.
Rücklagen für zukünftige Generationen
SFCF, COAST und andere setzen sich nun für die Einführung einer neuen Drei-Meilen-Zone in ganz Schottland ein. Das würde die Küstenschleppnetzfischerei und das Ausbaggern von Schalentieren stoppen. Aber das wird von vielen Fischern abgelehnt.
Der Verband Scottish Fishermen's Federation sagt, dass diese Begrenzung nicht dazu beitragen wird, dass die Fischpopulationen nachhaltig gewahrt werden. Anstelle eines generellen Verbots sollten einzelne Meeresgebiete oder Gewässermerkmale einen Schutzstatus erhalten, wenn die Notwendigkeit wissenschaftlich erwiesen ist. Aber Sinclair, der sich für die Drei-Meilen-Zone einsetzt, sagt: Es gäbe Beschwerden aus der Bevölkerung, dass die Fische entlang der schottischen Küste verschwinden.
"Das ist auf die Schleppnetzaktivität zurückzuführen. Man kann nur so lange von der Bank abheben, bis nichts mehr auf der Bank ist", fügt er hinzu.
Nun besteht die Hoffnung, dass Schottland, inspiriert durch Howard Woods Arbeit, wieder etwas auf der Bank einzahlt – mit mehr Schutzmaßnahmen, für zukünftige Generationen.