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Schwarze Liste der Kapitalvernichter

19. Februar 2004

Bei niedrigen Kursen kaufen, bei hohen wieder verkaufen - so geht das Aktiengeschäft. Die Realität sieht oft anders aus: Langfristig verlieren viele Aktionäre ihr Vermögen. Eine schwarze Liste soll helfen.

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Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Watchlist 2004 - mehr Übersicht auf dem deutschen Aktienmarkt
Auf und Ab der BörsenkurseBild: AP

Mehr Transparenz soll Anlegern zu mehr Übersicht auf dem deutschen Aktienmarkt verhelfen - und die Vorstände der Aktiengesellschaften (AG) zum besseren Wirtschaften animieren. Dafür hat die führende deutsche Aktionärsvereinigung - die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) - ihre "Watchlist 2004" am Dienstag (17.2.2004) in Berlin vorgelegt. Eine schwarze Liste, die zeigt, welche 50 deutschen Aktiengesellschaften das Vermögen ihrer Aktionäre in den vergangenen Jahren geschmälert haben.

Attraktiv - auf den ersten Blick

Die größten Kapitalvernichter unter den deutschen Aktiengesellschaften haben klangvolle Namen. Mit dabei sind neben anderen: die Jenoptik AG, der Touristikkonzern TUI, die Deutsche Telekom, die HypoVereinsbank, die Versicherungsunternehmen Allianz und Münchener Rück. Für die "Watchlist 2004" hat die DSW die Ergebnisse von fast 400 Aktiengesellschaften ausgewertet. Die Rangliste untersucht deren Kursentwicklung über drei verschiedene Zeiträume: fünf Jahre, drei Jahre und ein Jahr. Die Liste kann eine Orientierungshilfe für Anleger sein, denn Aktien sind wieder gefragt.

Doch im vergangenen Jahr hatte das Ja zur Aktie für viele Anleger fatale Folgen. Den ersten Platz der Rangliste hält die WCM AG - eine Unternehmen aus dem Immobilien- und Grundstücksbereich. Dessen Aktionäre gehen derzeit durch das Tal der Tränen. Immer mehr verkommt die WCM-Aktie zu einem hoch spekulativen Zockerpapier. Wer diesem Unternehmen vor fünf Jahren 10.000 Euro anvertraute, hatte zum Jahresende 2003 gerade mal noch etwa 6.000 Euro übrig. Noch schlimmer traf es die, die ihr Geld vor drei oder fünf Jahren angelegt hatten. Nummer Zwei der Liste ist die Plambeck AG. 2003 vernichtete das Unternehmen, das Windparks plant, mehr als 60 Prozent des eingesetzten Kapitals.

Übersteigerte Phantasie

Den Bronzeplatz der Liste belegt ein ehemaliger Star des Neuen Marktes: Die Intershop AG. Fast 75 Prozent ihres Investments verloren Anleger, die im Jahr 2000 bei dem Software-Unternehmen eingestiegen waren. Malte Diesselhorst, Landesgeschäftsführer der DSW Berlin: "Wenn man sich vorstellt, dass dieses Unternehmen 2003 nur noch 23 Millionen Euro Umsatz gemacht hat, dann kann man sich noch mal plastisch vor Augen führen, was für eine Blase dazu führte, dass dieses Unternehmen vor einigen Jahren Marktbewertungen von einigen 100 Millionen Euro hatte. Da wird sehr deutlich, was an übersteigerter Phantasie den Anlegern seinerzeit verkauft wurde." Warnungen, die damals schon ausgesprochen wurden, seien mehr als berechtigt gewesen. Trotz dieser Negativbeispiele: Das Jahr 2004 hat für die deutschen Aktionäre gut begonnen. Zwar haben die Kurse ihren Anstieg nicht mit derselben Dynamik fortgesetzt - aber es kam auch zu keinem Absturz.

Auf der gesetzlichen Ebene deuten sich Verbesserungen an: Vorstand und Aufsichtsrat einer AG sollen zukünftig stärker haften. So sieht es zumindest ein Gesetzesentwurf vor. Allerdings gibt es auch hier einen Wermutstropfen: Eine direkte Haftung der Manager gegenüber den Aktionären soll nicht eingeführt werden. Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der DSW, meint dazu: "Die Außenhaftung, also der direkte Schadensersatzanspruch der Aktionäre gegen Vorstände und Aufsichtsräte, bleibt somit weiter das Sorgenkind des deutschen Aktionärsschutzes. Nach wie vor haben die Anleger hier nur sehr stumpfe Schwerter in der Hand. Wir fordern den Gesetzgeber daher auf, das Thema endlich aktiv anzugehen." Nach Ansicht der DSW besteht dringender Handlungsbedarf. Denn im Falle eines Falles sind nach wie vor die Aktionäre die Gelackmeierten: Kommt es aufgrund einer Klage zur Zahlung von Schadensersatz, geht das Geld an die Gesellschaft, nicht an die Aktionäre.