China Dürre
6. Juni 2011Normalerweise fürchten die Menschen am Jangtse in Zentralchina das zerstörerische Hochwasser des gewaltigen Stromes. Doch in diesen Tagen ist alles anders. Die Bauern sind verzweifelt. Die Reispflanzen auf ihren Feldern sind bereits gelb. Für die Fischzucht, von der viele Menschen leben, ist zu wenig Wasser da. Die meisten Fische sind tot. Zentral- und Südchina wird zurzeit von der schlimmsten Dürre seit mehr als 50 Jahren heimgesucht. Selbst ältere Menschen in den betroffenen Gebieten haben eine solche Trockenperiode noch nicht erlebt. 35 Millionen Menschen am Mittel- und Unterlauf des Jangtse sind betroffen. Akuter Trinkwassermangel bedroht über vier Millionen Menschen.
Ma Jun ist der Autor des in China viel beachteten Buches "Die Wasserkrise Chinas". Er sagt, Hauptgrund für die Dürre sei zwar der Mangel an Regen in der letzten Zeit. Allerdings hätten auch die zahlreichen Eingriffe des Menschen in die Natur dafür gesorgt, dass natürliche Wasserspeicher zerstört wurden. "Um die Seen herum gibt es immer mehr Felder. Natürliche Wasserspeicher werden dafür in Anspruch genommen und aufs Spiel gesetzt", sagt Ma. Das Ganze werde durch die Erschließung von Land für Immobilien und den Bau von Industriegebieten noch verstärkt, so der Umweltexperte.
Der folgenschwerste Eingriff in die Natur in Zentralchina ist zweifelsohne der Bau des Dreischluchtenstaudamms. Seit 2008 staut die gigantische Talsperre das Wasser des Jangtse. Eigentlich sollte der Dreischluchtendamm die Kraft von Chinas größtem Fluss bändigen. Bei Hochwasser soll der 600 Kilometer lange Stausee hinter dem Damm überschüssiges Wasser aufnehmen. Bei Trockenperioden soll Wasser aus dem See an den Mittel- und Unterlauf des Jangtse abgegeben werden. Doch Ma Jun zufolge macht der Dreischluchtendamm die Dürre nur noch schlimmer. Sand und Steine, die der Fluss mit sich trägt, bleiben an der Staumauer hängen. Unterhalb des Damms spült das Wasser wiederum Sand fort, das Flussbett vertieft sich. Das Niveau des Wasserspiegels sinkt. Seen, die früher aus dem Fluss gespeist wurden, fließen nun in den Jangtse ab, erklärt Ma Jun. "Die Menge des zufließenden Wassers in die Seen hat sich verringert. Eigentlich ist weniger Sand im Fluss eine gute Sache, aber weniger zufließendes Wasser in die Seen, das ist ein riesiges Problem."
Kosten des Damms höher als der Nutzen
Inzwischen hat sogar die chinesische Regierung eingeräumt, dass der Dreischluchtendamm erhebliche Probleme verursacht. In einer Meldung der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua heißt es: "Einige der Probleme des Damms zeichneten sich schon während der Planungsarbeit ab. Ihre Lösung wurde auf die Zeit nach der Inbetriebnahme verschoben." Dabei hatten sich die Machthaber in Peking von dem Staudamm viele Vorteile versprochen. Das Wasserkraftwerk im Dreischluchtenstaudamm produziert so viel Energie wie zehn Atomkraftwerke. Über den riesigen Stausee können selbst Hochseeschiffe bis ins chinesische Hinterland vordringen. Doch die Kosten des Damms übersteigen langfristig den Nutzen, kritisiert der Bauingenieur und Experte für den Dreischluchtenstaudamm Wang Weiluo. "Wenn wir die Kosten von heute bis 2020 betrachten für die alle Folgebauprojekte, bewegen wir uns bei über 10 Milliarden Euro."
Wassermangel verschärft Energiekrise
Allein die jetzige Dürre am Jangtse hat bereits einen wirtschaftlichen Schaden von über 150 Millionen Euro verursacht. Nach chinesischen Medienberichten verzeichnet die Fischzucht in der Region Einbußen von 90 Prozent. Ein Beamter aus der Stadt Honghu, die im Dürregebiet liegt sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es brauche mindestens 10 Jahre, bis sich die Gegend von den ökologischen Folgen der Dürre erholt habe.
Wegen der Dürre haben die Behörden angeordnet, den Wasserausstoß des Dreischluchtenstaudamms um 20 Prozent zu erhöhen. Das führt allerdings zu erheblichen Einbußen bei der Stromproduktion. Und ausgerechnet in diesem Jahr kämpft China gegen die schwerste Energiekrise seit Jahren.
Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Ana Lehmann