Schwerster Angriff seit Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Libanon
30. Juli 2006Unter den Toten befinden sich Dutzende Kinder. Zahlreiche Häuser in der Ortschaft Kana östlich von Tyrus wurden zerbombt. Die Leichen von 30 Kindern seien bereits unter den Trümmern entdeckt worden, berichteten Rettungskräfte und Anwohner.
Siniora: "Kriegsverbrechen"
Über 60 Menschen - davon der größte Teil Flüchtlinge - hatten im Keller eines viergeschössigen Hauses Schutz gesucht. Das Gebäude stürzte völlig ein. Unter den Trümmern würden weitere Tote vermutet, hieß es. Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora bezeichnete den Angriff als "Kriegsverbrechen". Es werde keine Verhandlungen mit Israel geben, solange keine "sofortige und bedingungslose Waffenruhe" eingetreten sei.
Hisbollah droht mit Vergeltung
Nach israelischer Darstellung war der tödliche Angriff auf das Dorf nahe der Hafenstadt Tyrus eine Reaktion auf vorangegangene Raketenangriffe der Hisbollah-Miliz. Israel bedauerte aber die zahlreichen zivilen Opfer des Luftangriffes. Dies sagte der Sprecher des israelische Außenministeriums Gideon Meir am Sonntag (30.7.) dem US-Sender CNN. Meir erklärte, die israelischen Streitkräfte versuchten mit allen Mitteln, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Die Hisbollah missbrauchte jedoch die Zivilbevölkerung als "menschliche Schutzschilde" für ihre Stützpunkte. Die Hisbollah drohte mit Vergeltung für Luftangriff. "Das schreckliche Massaker wird nicht ohne Antwort bleiben", erklärte die radikal-moslemische Organisation.
In Beirut stürmten hunderte aufgebrachte Menschen nach dem Bombardement die UN-Vertretung. Die Menge bewarf den UN-Sitz mit Steinen, stürmte die Eingangshalle und setzten UNO-Flaggen in Brand. Das UN-Personal floh in den Keller. Tausende Demonstranten protestierten außerdem im Zentrum von Beirut gegen den Angriff.
Bei einem weiteren israelischen Luftangriff auf die südlibanesische Ortschaft Jarun kamen fünf Zivilisten ums Leben. Am Wochenende schoss die Hisbollah wieder zahlreiche Raketen auf Israel. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Auch im Südlibanon kam es wieder zu Gefechten zwischen israelischen Soldaten und Hisbollah-Kämpfern. Laut libanesischer Regierung wurden seit Beginn der israelischen Offensive rund 750 Menschen im Libanon getötet, die meisten davon Zivilisten. Mehr als 2000 Menschen seien verletzt worden.
Rice verschiebt Beirut-Besuch
US-Außenministerin Condoleezza Rice hat nach libanesischen Angaben einen für Sonntag (30.7.) geplanten Besuch in Beirut verschoben. Sie habe damit auf eine Bitte der libanesischen Regierung reagiert, hieß es am Sonntag in Beirut. Zudem hatte die Regierung in Beirut entgegen den von Rice in Israel vorgestellten Vermittlungsplänen ihre Forderung nach einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand bekräftigt. Rice war am Sonntagnachmittag im Libanon erwartet worden. Aus Kreisen ihrer Delegation hieß es, der Besuch sei zwar geplant, aber ohnehin nicht ganz sicher gewesen. Die US-Außenministerin traf am Samstag im Nahen Osten ein und kam noch am Abend mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert zusammen.
Israel weitet Bodentruppen im Libanon aus
Israel lehnte eine sofortige Waffenruhe erneut ab. "Israel ist nicht in Eile, eine Waffenruhe zu erreichen, bevor wir die von uns festgelegten Hauptziele erreicht haben", sagte der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert am Sonntag zu Beginn einer Kabinettssitzung in Jerusalem. Zu diesen Zielen gehörten Fortschritte im diplomatischen Prozess und Vorbereitungen für eine multinationale Truppe.
Die israelische Armee weitete inzwischen ihre Einsätze von Bodentruppen im Libanon am Sonntag nach Norden aus. Um den libanesischen Grenzort Taibe gebe es Gefechte zwischen Soldaten und Hisbollah-Milizen, teilte eine Armeesprecherin in Tel Aviv mit. (chr)