Echo für Jazz-Grenzgänger Klaus Doldinger
1. Juni 2017Große Abendshow direkt an der Elbe, auf dem Werftgelände von Blohm+Voss: Hier inszenierte das Kulturinstitut des Bundesverbandes Musikindustrie am Donnerstag (01.06.2017) die Vergabe der Jazz-Echos - zum fünften Mal seit 2010. Die Preisträger standen bereits im Vorfeld fest, darunter waren neben Doldinger internationale Größen wie Norah Jones und das Branford Marsalis Quartet, oder auch die Hamburger Newcomerin Anna-Lena Schnabel.
Als Laudatoren waren neben anderen die Schauspieler Peter Lohmeyer und Max von Thun sowie die Musiker Max Mutzke und Nils Wülker geladen. Doch bevor die Bühne ganz dem Jazz überlassen wurde, ergriff Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie, das Wort und appellierte: "Gerade in diesen Zeiten brauchen wir ein neues Bekenntnis zur Kunst und Kultur, der Musik, dem Jazz - ihrer Bedeutung, ihrer Einzigartigkeit und ihrer Notwendigkeit." Er forderte: "Wir sollten mehr und nicht weniger Kunst und Kultur wagen - und das in aller Breite und Vielfalt."
Klaus Doldinger dürfte das gefallen. Ende Mai sagte er als Reaktion auf seine Auszeichnung: "Ich habe nicht vor, mich von der Musik zu verabschieden, aber ich weiß ja nicht, was der liebe Gott mit mir vorhat."
Doldinger - der Name steht für Jazz vom Feinsten: Mit seiner Band "Passport" hat er die Szene geprägt. Bekannt wurde der Saxofonist aber auch als Filmkomponist. Erst kürzlich feierte der Musiker seinen 81. Geburtstag.
Grenzgänger des Jazz
Mal leicht, mal getragen, dann wieder stakkatohaft und hart klingt Klaus Doldingers Musik. Wenn er in sein Saxofon bläst, dann funkt, rockt und swingt es. Oder die Töne beginnen zu schweben. Dann wippen die Füße, Köpfe kreisen versonnen. Doldingers Musik ist ein Klangerlebnis, jedes Mal aufs Neue. Am besten ist sie live zu erleben. "Ich hatte das Glück, Melodien zu erfinden, die bei den Menschen hängen bleiben", sagt der in Berlin geborene und heute in Icking bei München lebende Komponist, Saxofonist und Bandleader von "Passport". "Für mich war es entscheidend, dass man meine Stücke auch mal nachpfeifen und nachsingen kann."
Das ist ihm gelungen. Jeden Sonntag um 20.15 Uhr erklingt Doldingers Krimi-Hymne in den Wohnzimmern vieler Deutschen. Wie das Augenpaar im Fadenkreuz des Trailers gehört seine Titelmelodie zum "Tatort"-Krimi. Es ist die bekannteste der vielen Film-Kompositionen, die der Jazz-Musiker als souveräner Gratwanderer zwischen den musikalischen Genres geschrieben hat.
Zahlreiche Film- und Serienmelodien
Neben dem "Tatort"-Ohrwurm drückte er auch noch weiteren Filmen seinen musikalischen Stempel auf: "Das Boot", "Die Unendliche Geschichte" und "Salz auf meiner Haut" oder Fernsehserien wie "Liebling Kreuzberg", "Wolffs Revier" oder "Alles außer Mord". Doldingers Klänge hallen lange nach. So wurden viele Zuschauer zu Doldinger-Fans, ohne es zu wissen.
Als Musiker wurde er aber mit seiner 1971 gegründeten Band "Passport" berühmt. Erster Schlagzeuger war Udo Lindenberg. Für ihn ist Doldinger noch heute der "Jazz-Gott". Berührungsängste zwischen Kunst und Kommerz hatte Doldinger nie. "Es war ein Thema, aber man kann nicht einfach nur ein Register ziehen", erklärt er bescheiden. "Für mich war es immer wichtig, mit dem einen oder anderen Erfolg zu haben. Und ich hatte das Glück, damit existieren zu können."
Ein Spektrum von Avantgarde bis Mainstream
So arbeitete er schon zu Beginn seiner Karriere - unter dem Pseudonym Paul Nero - an Schallplatten, die sich "an internationalen Hitparaden" orientierten, wie er sich erinnert. Zu seinem 80. Geburtstag im vergangenen Jahr erschien das 35. "Passport"-Album mit dem knappen Titel: "Doldinger". Es versammelt die Lieblingsstücke unter seinen annähernd 350 Kompositionen. Insgesamt schrieb Doldinger rund 2000 Stücke. Neu eingespielt hat er "Doldinger" mit Gaststars wie Dominic Miller, dem Gitarristen von Sting, Nils Landgren, Max Mutzke, Sasha, Helge Schneider - und Udo Lindenberg.
Begonnen hat Klaus Doldinger bei der Düsseldorfer Dixieland-Band "The Feetwarmers" als Klarinettist. 1960 gründete er die erste eigene Band "Oskar's Trio". Während seiner fast 65-jährigen Karriere hat Doldinger zwischen Avantgarde und Mainstream viel ausprobiert. Jazz, Rock, Blues und Soul sind genauso Quellen der Doldinger-Musik wie experimentelle elektronische Klänge und lateinamerikanische Rhythmen. Alben wie "Handmade", "Cross-Collateral", "Running In Real Time" oder "Passport to Paradise" gehören heute zu den Klassikern des Jazz.
Bühnenmusiker mit Leidenschaft
Der gelernte Tontechniker Doldinger werkelt nicht nur gern im Studio. Er ist vor allem ein leidenschaftlicher Bühnenmensch. Inzwischen hat er es auf mehr als 5000 Konzerte gebracht. Als er 1960 durch die USA tourte, ernannte man ihn zum Ehrenbürger von New Orleans. Danach reiste er als "Botschafter des deutschen Jazz" für das Goethe-Institut durch rund 40 Länder. "Alles hat sich peu à peu ergeben", resümiert Klaus Doldinger sein Leben: "Ich hatte Glück, en gros."